München Machtkampf im Siemens-Aufsichtsrat

München · Gerhard Cromme wollte Peter Löschers Ablösung, Josef Ackermann offenbar nicht. Dem früheren Deutsche-Bank-Chef werden Ambitionen unterstellt, er wolle selbst Chef-Kontrolleur bei Siemens werden. Löscher soll 17 Millionen erhalten.

Als sich der Aufsichtsrat der Deutschen Bank gestern mit den Zahlen der Halbjahresbilanz von Deutschlands größtem Geldhaus beschäftigte, blieb ein Stuhl leer – der von Peter Löscher. Der 55-jährige Noch-Siemens-Chef war nur telefonisch zugeschaltet, weil er in München unabkömmlich war. Dort ging es um immens wichtige Fragen wie die, wie viel Geld Löscher bei seinem Abschied aus der Siemens-Zentrale nach rund sechs Jahren kassieren wird.

Alles sieht nach einvernehmlicher Trennung aus. Die könnte Löscher einschließlich aller Boni und Pensionsansprüche bis zu 17 Millionen Euro bringen, wie es im Umfeld von Siemens heißt. "Für den Fall der vorzeitigen einvernehmlichen Beendigung der Vorstandstätigkeit ohne wichtigen Grund sehen die Vorstandsverträge eine Ausgleichszahlung vor, deren Höhe auf maximal zwei Jahresvergütungen begrenzt ist", heißt es dazu im Geschäftsbericht für das vergangene Jahr.

Damit wäre nach der heutigen Aufsichtsratssitzung das Problem Löscher für Siemens erledigt und der Weg frei für seinen designierten Nachfolger an der Unternehmensspitze, Joe Kaeser. Dass damit auch die Spannungen im Aufsichtsrat behoben wären, kann man dagegen nicht behaupten. Dort spielt sich dem Vernehmen nach ein Machtkampf zwischen Gerhard Cromme, dem amtierenden Chef des Gremiums, und seinem zweiten Stellvertreter Josef Ackermann ab. Der eine, Cromme, war für die Entmachtung des Österreichers Löschers, der andere, Ackermann, prangerte die aus seiner Sicht unfeinen Methoden an, mit denen der scheidende Siemens-Chef aus dem Amt gedrängt werden sollte. Sollte heute erwartungsgemäß Kaeser zum neuen Vorstandschef ernannt werden, wäre dies wohl ein Etappensieg für Cromme.

Trotzdem: Es gibt nicht wenige, die Ackermann eigene Ambitionen nachsagen, die Führung im Siemens-Aufsichtsrat zu übernehmen. Cromme ist angeschlagen. Das Desaster bei ThyssenKrupp hat das Image des lange Zeit als Berthold-Beitz-Nachfolger bei der Krupp-Stiftung gehandelten 70-Jährigen gebürtigen Niedersachsen schon ramponiert, jenes bei Siemens das Bild eher noch verschlechtert. "Cromme macht die gleichen Fehler wie bei ThyssenKrupp. Vorstände müssen gehen, und er versucht, von den eigenen Fehlern abzulenken", heißt es im Siemens-Umfeld.

Das sieht wohl auch Ackermann so. Aber: Während hinter den Kulissen das Bild vermittelt wird, der frühere Deutsch-Banker sei nur einer aus einer Gruppe von Aufsichtsräten, die sich gegen Crommes Kurs stellen, sagen andere, Ackermanns vermeintliche Mitstreiter Michael Diekmann (Allianz-Chef) und Nicola Leibinger-Kammüller (Chefin des Werkzeugmaschinenbauers Trumpf) hätten zwar durchaus persönlich Sympathien für Löscher gehabt, würden sich aber dem Konzernumbau nicht verweigern. Ackermann habe sie nur als Feigenblatt benutzt. Also alles nur Legendenbildung?

In jedem Fall ist das Verhältnis zwischen Cromme und Ackermann belastet. Und der Disput mit dem Ober-Kontrolleur ist binnen kurzer Zeit das zweite Duell, das der Schweizer Reserve-Offizier Ackermann mit einem amtierenden Chef eines Kontrollgremiums ausficht. Als es im vergangenen Jahr um die Nachfolge Ackermanns an der Spitze der Deutschen Bank ging, hatte der Ausscheidende selbst den früheren Bundesbank-Chef Axel Weber als Nachfolger ausgeguckt. Doch anstelle des Notenbankers rückte die Doppelspitze Anshu Jain/Jürgen Fitschen nach vorn. Ob es an der Verhandlungsführung des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Börsig lag oder nicht, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Ackermann war verärgert; am liebsten hätte er Börsig an der Spitze des Deutsche-Bank-Aufsichtsrates abgelöst. Heute ist keiner von beiden mehr dort vertreten. Geführt wird das Gremium von Ex-Allianz-Vorstand Paul Achleitner.

Nicht ausgeschlossen, dass sich bei Siemens das Spiel in ähnlicher Weise wiederholt. Die Frage "Cromme oder Ackermann?" beantworten nämlich viele mit "Wolfgang Reitzle". Der Linde-Chef hört im Januar auf und stünde dann als neuer Aufsichtsratschef für Siemens vermutlich zur Verfügung. Allerdings wurde der Ehemann der TV-Moderatorin Nina Ruge auch schon bei ThyssenKrupp als Nachfolger gehandelt – und dann wurde dort Ulrich Lehner eingesetzt.

So oder so gilt: Der neue Siemens-Chef wird nicht die letzte spannende Personalie im Konzern.

(RP)
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