Düsseldorf Lufthansa will 40 Flugzeuge auslagern

Düsseldorf · Pilotengewerkschaft und Management nehmen den Kompromiss des Schlichters an. Das Management kündigt jedoch kurz darauf unabgesprochen die Verlagerung Dutzender Maschinen an. Die Gewerkschaften sind erbost.

Die Bombe ließ die Lufthansa gestern per Pressemitteilung platzen: Stolz verkündete Deutschlands größte Airline das Ende des Streits um höhere Löhne mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC). Eigentlich eine gute Nachricht für die Fluggäste. Doch die Mitteilung enthielt den Hinweis, dass für den teuren Kompromiss 40 Flugzeuge nicht mehr unter den Konzerntarif fallen. Ein VC-Sprecher sagte, dies sei nicht mit der Gewerkschaft abgesprochen worden. "Natürlich stand eine solche Drohung nach Interview-Äußerungen des Managements im Raum, aber die Schlichtungsgespräche wurden ausdrücklich ohne Kompensationsgeschäft geführt."

Nach Angaben der Lufthansa sieht das Ergebnis von Schlichter Gunter Pleuger vor, dass die 5400 Piloten im Konzerntarifvertrag in vier Stufen insgesamt 8,7 Prozent mehr Gehalt erhalten sollen. Hinzu kommt eine Einmalzahlung von durchschnittlich bis zu 6000 Euro. Laut Konzern summieren sich die Zusatzkosten auf rund 85 Millionen Euro pro Jahr. Daher die Idee der Auslagerung von "40 zugehenden Flugzeugen". Möglich wäre dies etwa, indem die bis 2020 neu angeschafften Flugzeuge vom Typ Boeing 777 X, die die alten 747 ersetzen sollen, künftig nicht mehr für die Lufthansa Passage fliegen, sondern für eine günstigere Tochter.

Als "harte Drohung" gegenüber den Piloten sowie als "im Ernstfall äußerst radikalen Schritt" stuft der Hamburger Airline-Experte Gerald Wissel die Lufthansa-Ankündigung ein. "Hauptziel ist ja wohl, bei den weiteren Gesprächen starke Zugeständnisse zu erreichen", sagt er. Nach Angaben des VC-Sprechers sind derzeit bis zu zehn Tarifverträge noch offen - beispielsweise zur Übergangs- und Altersversorgung, aber auch der Manteltarifvertrag. "Die angekündigte Auslagerung wirkt sich - vorsichtig gesprochen - sehr belastend auf diese Gespräche aus", so der VC-Sprecher. Das Wort Streik nimmt er zwar nicht in den Mund, aber die Drohung schwingt natürlich mit.

Verärgert über die Ankündigung ist im Übrigen auch die Unabhängige Flugbegleiter-Organisation (Ufo). Deren Tarifvorstand Nicoley Baublies sagte unserer Redaktion: "Für uns sind die verkündeten Folgen des nun gefundenen Schlichterspruchs ein Super-GAU. Da sind all unsere Befürchtungen wahr geworden: Lufthansa und die Piloten im Konzerntarifvertrag einigen sich auf keine Gesamtlösung und in Folge werden Arbeitsplätze andernorts gleich mit ausgelagert." Das sei insofern frustrierend, als Ufo monatelang mit dem Management konstruktiv gerungen habe.

"Die Androhung der Lufthansa, 40 Maschinen an andere Konzerngesellschaften zu vergeben, ist Tarifflucht und hat auch Auswirkungen auf die anderen Beschäftigtengruppen im Konzern. Das lehnen wir ab", sagte auch Verdi-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle.

Die Ufo hat Baublies zufolge zu den Auswirkungen auf das Gesamtunternehmen bereits eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung beantragt. "Man muss inzwischen daran zweifeln, dass das Management seiner Verantwortung für die Gesamtbelegschaft überhaupt noch gerecht wird." Der Ufo-Vertreter sagte, die Lufthansa solle sich klarmachen, dass sie durch diese Taktik nichts gewonnen habe. Trotz langer Verhandlungen und Streiks sei rein gar nichts befriedet, so Baublies. "Die Piloten könnten jederzeit wieder auf die Straße gehen. Ich hätte mir gewünscht, dass man sich nicht auf einen solchen Deal einlässt, der auch das Wohl anderer Beschäftigtengruppen gefährdet."

Sollte Lufthansa wirklich die Jets auslagern, wäre dies ein Bruch mit der Tradition. "Dann hätten wir eine Art Eurowings auch auf der Langstrecke, also ein Discountcarrier für ausgewählte Ziele", sagt Luftfahrt-Experte Wissel. Er weist allerdings auch darauf hin, dass eine derartige Aktion nicht ganz einfach wäre: "Eigentlich müssen Piloten von Maschinen mit dem Lufthansa-Logo auch mit Konzerntarifvertrag eingestellt sein. Wenn dagegen Jets unter einer anderen Marke genutzt würden, wäre unklar, wie die in das Vielfliegerprogramm integriert werden, ob deren Passagiere in die Lounges dürfen, ob es Code-Sharing gibt."

(RP)
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