Digitale Facebook-Währung Libra: Industriestaaten haben Bedenken

Facebooks neue Internet-Währung wäre der demokratischen Kontrolle entzogen und eine Gefahr für das Finanzsystem, warnen die mächtigsten Finanzminister auf ihrer Tagung in Frankreich.

Die Finanzminister der sieben größten westlichen Volkswirtschaften (G7) wollen verhindern, dass die von Facebook und anderen Konzernen geplante Internet-Währung Libra zu einer Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems und ihrer Demokratien wird. Alle sieben Staaten inklusive der USA hätten „schwere Bedenken“ gegen Libra geäußert, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) beim Treffen der G7-Finanzminister und Notenbankchefs in Chantilly bei Paris.

Die Staaten wollten jetzt sehr rasch gemeinsam Wege finden, um Libra in enge regulatorische Bahnen zu lenken. Dazu müssten alle existierenden Regeln für Banken und Zahlungsverkehr durchforstet werden. Reichten diese nicht aus, müssten die Staaten neue Regeln hinzufügen. Es dürfe nicht sein, dass eine neue zusätzliche Währung etabliert werde, „die nicht der demokratischen Kontrolle unterliegt“, sagte Scholz. Zugleich müsse alles dafür getan werden, dass grenzüberschreitende Finanzgeschäfte künftig weniger kosteten. Denn dies ist die Marktnische, in die Facebook und Co. gerne springen würden: Bisher erheben Banken und andere Institute für Überweisungen in andere Länder oft zu hohe Gebühren. Die Idee bei Libra ist, diese Transaktionen kostenlos per Mausklick zu ermöglichen. Anders als bei anderen Kryptowährungen garantiert das Facebook-Konsortium zudem stabiles Geld und kaum Währungsschwankungen. Es könnte daher für Nutzer besonders interessant werden, die aus Ländern mit instabilen Währungen stammen.

Libra soll so funktionieren: Nutzer sollen beim Facebook-Konsortium reales Geld einzahlen, dafür bekommen sie das virtuelle Zahlungsmittel Libra. Damit sollen sie über Whatsapp oder andere Messengerdienste Geld überweisen oder bei anderen Libra-Nutzern einkaufen können. Das eingezahlte reale Geld soll in einen Währungskorb als Reserve fließen, die die Libra-Stabilität sichert. Man soll jederzeit Libra wieder in reales Geld umtauschen können.

Facebook und Co. haben ihr Projekt in den vergangenen zwei Jahren bei allen maßgeblichen Regierungen und Notenbanken vorgestellt. Es soll schon in der ersten Jahreshälfte 2020 starten. Da Facebook weltweit über zwei Milliarden Nutzer erreichen kann, sind auch die USA alarmiert: US-Präsident Trump will nicht dulden, dass neben dem Dollar ein Zahlungsmittel entsteht, das sich seiner Kontrolle entzieht. Zudem ist denkbar, dass durch Libra herkömmliche Banken obsolet werden könnten. Problematisch ist zudem, dass Facebook zusätzlich Informationen über das Zahlungsverhalten seiner Nutzer erhielte.

Wie die Finanzminister das Projekt eindämmen wollen, blieb in Chantilly noch unklar. Facebook-Manager David Marcus sicherte in einer Anhörung in den USA zu, das Konsortium werde nichts unternehmen ohne die Zulassung der Finanzbehörden. Andererseits können diese das Projekt auch nicht einfach stoppen oder verbieten. In freien Markwirtschaften ist es privaten Akteuren  erlaubt, Banken zu gründen und Zahlungsmittel neu zu erfinden, wenn sie sich an die Regeln halten.

In Chantilly beraten die Finanzminister zudem über den Chefposten beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Der  wird frei, weil IWF-Chefin Christine Lagarde am 1. November Präsidentin der Europäischen Zentralbank werden soll. Im Gespräch sind der britisch-irisch-kanadische Notenbanker Mark Carney, der finnische Notenbank-Chef Olli Rehn, der frühere niederländische Finanzminister und Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem und die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager.

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