Bundesregierung will Branche stabilisieren Lebensversicherer schütten weniger aus

Berlin · Die Bundesregierung will Branche stabilisieren und die Verbraucher besser gegen Verluste bei den garantierten Leistungen schützen. Altkunden erhalten daher einen geringeren Anteil an den Bewertungsreserven der Versicherer.

Lebensversicherer sollen künftig deutlich weniger stille Reserven an Kunden mit auslaufenden Policen ausschütten müssen. Im Durchschnitt drohen Kunden bei regulärem Ablauf oder Kündigung Einbußen von etwa 440 Euro; in Einzelfällen können die Verluste aber auch vier- oder fünfstellig sein. Die Bundesregierung wolle damit die Branche stabilisieren und die Versicherten besser vor dem Verlust der garantierten Leistungen schützen, hieß es in Regierungskreisen.

Der Gesetzentwurf, der unserer Zeitung vorliegt, soll noch vor der Sommerpause vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden und spätestens Anfang 2015 in Kraft treten. Für Neuverträge soll ab 2015 zudem der Garantiezins von derzeit 1,75 auf 1,25 Prozent sinken.

Das Finanzministerium reagiert damit auf die anhaltende Niedrigzinsphase, die Lebensversicherern zunehmend zu schaffen macht. Die Rendite von Staatsanleihen ist 2013 auf durchschnittlich 1,6 Prozent gesunken. Zugleich blieben die Verpflichtungen der Versicherer zur Bedienung der Altverträge hoch. Der Garantiezins im Bestand der Lebensversicherer betrage im Durchschnitt immer noch 3,2 Prozent, hieß es. In den kommenden Jahren dürften die Erträge deutlich sinken. Die Bundesbank hatte gewarnt, dass etwa ein Drittel der Lebensversicherer bis 2023 die Eigenkapitalanforderungen nicht mehr erfüllen könnte, wenn die Ertragsaussichten so schlecht blieben wie zurzeit.

Mit ihrem Maßnahmenpaket will die Regierung sicherstellen, dass die Versicherer auch künftig noch alle Verträge erfüllen können. Dazu werde es einen "gemeinsamen Beitrag aller Beteiligten" geben müssen, hieß es. Auch die Unternehmen, ihre Aktionäre und die Versicherungsmakler müssten ihren Teil zur Stabilisierung leisten.

Je schlechter das Zinsumfeld ist, desto stärker schlagen Bewertungsreserven zu Buche. Sie ergeben sich aus der Differenz zwischen dem Marktwert einer Kapitalanlage und dem Buchwert. Ist der Marktwert höher als der Buchwert, entsteht eine Reserve. 2008 hatte der Gesetzgeber festgelegt, dass Kunden mit auslaufenden Verträgen zur Hälfte an diesen Reserven beteiligt werden müssen. Allein 2012 wurden an etwa 6,6 Millionen Altkunden 2,9 Milliarden Euro an Bewertungsreserven ausgeschüttet. Wäre das neue Gesetz bereits in Kraft gewesen, wären davon zwei Milliarden Euro nicht ausgeschüttet worden, hieß es.

Die einbehaltenen Mittel sollen den Kunden mit den übrigen 88 Millionen Policen zugutekommen. Mit einem speziellen Verfahren soll künftig jedes Unternehmen bestimmen, in welchem Umfang die gewährten Garantien unter Berücksichtigung der aktuellen Kapitalmarktzinsen nicht ausfinanziert sind. Die Beteiligung der Altkunden an den Bewertungsreserven festverzinslicher Wertpapiere wird dann auf den Teil der Reserven begrenzt, der die so ermittelte Finanzierungslücke übersteigt. "Damit wird entsprechend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ein gerechter Interessenausgleich zwischen den in einer Risikogemeinschaft verbundenen Versicherten hergestellt", heißt es im Gesetzentwurf.

Allerdings sollen die Versicherer ihre Kunden künftig stärker an Risikogewinnen beteiligen, die sich daraus ergeben, dass ihre Sterbetafeln regelmäßig von zu hohen Lebenserwartungen ausgehen. Kunden sollen von diesen Gewinnen 90 Prozent bekommen, nicht mehr nur 75 Prozent. Im Jahr 2012 wurden Kunden mit 800 Millionen Euro an Risikogewinnen beteiligt, hieß es.

Für die Aktionäre soll es eine Ausschüttungssperre geben, wenn ein Unternehmen nicht in der Lage ist, alle Garantien einzuhalten. 2012 wurden 800 Millionen Euro an die Eigentümer ausgeschüttet. Die Finanzaufsicht Bafin soll zudem mehr Kompetenzen bei der Kontrolle erhalten. Unternehmen sollen künftig ihre Abschlusskosten für neue Verträge um insgesamt eine Milliarde Euro jährlich senken. Provisionen für Vermittler sollen bei Vertragsschluss offengelegt werden müssen.

(mar)
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