Picnic will expandieren Wie ein niederländisches Start-up die Supermärkte in NRW angreift

Düsseldorf · Vor einem Jahr hat der niederländische Lebensmittel-Lieferdienst Picnic einen deutschen Ableger gegründet. Es lockt ein Milliarden-Markt – doch mit dessen Eroberung haben sich auch viele Konkurrenten bislang schwer getan.

 Der Student Kaveh Amiri war 2018 einer der Auslieferungsfahrer bei dem Start-up Picnic am Standort in Neuss.

Der Student Kaveh Amiri war 2018 einer der Auslieferungsfahrer bei dem Start-up Picnic am Standort in Neuss.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)/Bauer, Hans-Jürgen (hjba)

Der Haribo-Goldbär starrt direkt auf den riesigen Bildschirm an der Wand, auf den Frederic Knaudt gerade eine neue Grafik vom Laptop projiziert. Das Plüschtier sitzt auf dem Stuhl im Konferenzraum, damit sie hier in der Zentrale des Online-Lebensmittelhändlers nicht vergessen, an den Kunden zu denken. Der Goldbär ist sein Stellvertreter – und ein Symbol.

Denn die absolute Ausrichtung am Kundenwunsch galt früher als Stärke des Online-Händlers Amazon, bei dem aus diesem Grund bei Besprechungen auch mal ein Stuhl frei blieb für den Kunden, der symbolisch mit am Tisch sitzen sollte. Seit Jahren erobert das Unternehmen mit dieser Methode ein Segment nach dem anderen. Inzwischen zeigen Unternehmen wie Picnic: Das, was Amazon kann, können wir auch.

Im Modehandel ist es Zalando, das Amazon Paroli bietet. Und bei Lebensmitteln ist das niederländische Unternehmen Picnic angetreten, den Markt zu erobern. Vor einem Jahr hat das 2015 gegründete Start-up auch einen deutschen Ableger an den Start gebracht. Vom Sitz in Düsseldorf aus erschließt sich das Team um Deutschland-Chef Frederic Knaudt nun langsam Markt für Markt: Nach dem Start in Neuss, Meerbusch und Teilen von Düsseldorf ist man inzwischen auch in Mönchengladbach, Krefeld und Viersen mit den kleinen weißen Elektro-Transportern unterwegs.

26.000 Kunden hat Picnic nach einem Jahr in der Region – und die Kurven, die Knaudt an die Wand wirft, zeigen, dass dies nur ein Zwischenstand sein wird. In Neuss habe sich nach einem Jahr bereits ein Viertel aller Haushalte bei Picnic registriert, sagt Knaudt. In Mönchengladbach habe man diese Schwelle bereits nach einem Vierteljahr erreicht.

Über die Picnic-App können Kunden Lebensmittel bestellen, die anschließend in einem Zeitfenster von 20 Minuten kostenlos geliefert werden. Doch Picnic investiert viel Zeit und Mühe, dies nicht wie einen kalten Logistikprozess wirken zu lassen. Picnic, das macht Knaudt klar, wolle eine Familienmarke sein. Deshalb laufen die Mitarbeiter auch schon mal bei Karnevalszügen mit. Und als zuletzt in einem Kindergarten in Neuss hunderte Überraschungseier geklaut wurden, war auch dies eine willkommene Gelegenheit für das Picnic-Team, ein paar Sympathie-Punkte zu sammeln, indem man kurzfristig Ersatz besorgte.

Der Aufwand ist nötig. „Der Lebensmittel-Einkauf ist von allen Online-Segmenten der schwierigste Bereich – aber auch der lukrativste“, sagt Christian Wulff, Leiter des Bereichs Handel und Konsumgüter bei der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC). Es gehe immerhin um die Erschließung eines 200-Milliarden-Euro-Marktes.

Gleichzeitig liegt der Online-Marktanteil nur bei knapp zwei Prozent. Viele Kunden müssen erst überzeugt werden, Lebensmittel im Internet zu bestellen. Auch Picnic-Chef Knaudt sagt: „99 Prozent unserer Kunden haben vorher noch nie Lebensmittel online gekauft.“

Der Kampf um den Kunden ist daher in vollem Gange. Neben dem Online-Riesen Amazon mischen auch etablierte Händler wie Rewe mit.

2011 startete der Kölner Händler sein Online-Angebot, heute ist man in 75 Städten Deutschlands aktiv. Den Vorsprung will Rewe gegenüber Konkurrenten wie Picnic nutzen. Dass dies am Ende auch gelingt, ist jedoch nicht ausgemacht, nicht immer triumphieren die Marktführer aus der Offline-Welt am Ende auch im Online-Bereich.

„Es gab in vielen Bereichen Unternehmen, die aus der Pole Position gestartet sind und den Online-Markt hätten erobern können – doch dann kamen trotzdem Neulinge und haben sie abgehängt“, sagt PwC-Experte Wulff: „Im Buchhandel war Barnes & Nobel beispielsweise in so einer Position, dann kam Amazon. Im Bekleidungsgeschäft waren es die Textil- und Schuhhandelsketten, die dann von Zalando überholt wurden.“

Picnic erhöht jedenfalls jetzt das Tempo. Momentan wird ein Standort für ein zweites Logistikzentrum in NRW gesucht, weitere Städte sollen erschlossen werden. „Wir brauchen vier bis sechs Monate, um an einem neuen Standort profitabel zu sein. In Neuss und Gladbach sind wir das bereits“, sagt Frederic Knaudt.

Momentan halten sich die Auswirkungen auf die Konkurrenz aber wohl noch in Grenzen. Ein Rewe-Sprecher teilte mit, die Märkte in der Region Neuss, Krefeld und Düsseldorf lägen in puncto Umsatz über Plan. Auch bei Edeka Rhein-Ruhr gibt man sich entspannt, allerdings aus einem anderen Grund: Die Genossenschaft beliefert Picnic nicht nur mit Lebensmitteln, sondern hat sich frühzeitig an dem Angreifer beteiligt – man weiß ja nie.

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