Die Energiekrise trifft die Bauern Trübe Aussichten für Gewächshaus

Den Haag/Düsseldorf · Gewächshäuser für Tomaten oder Paprika brauchen viel Energie. In den Niederlanden haben Bauern ihre Produktion daher schon heruntergefahren. Auch deutsche Landwirte sind in Sorge, sie haben aber einen großen Vorteil im Vergleich zu den Nachbarn.

Der Betrieb von Gewächshäusers ist energieintensiv - ein Kostentreiber.

Der Betrieb von Gewächshäusers ist energieintensiv - ein Kostentreiber.

Foto: Kaufland

Eigentlich sind die Niederlande das Tomaten-Land. Doch nun stecken viele Bauern jenseits der Grenze in Not: Fast ein Drittel der Landwirte mit Gewächshaus haben wegen der hohen Gas- und Strompreise Liquiditätsprobleme. Das ergab eine Umfrage des niederländischen Branchenverbands. Acht Prozent der Bauern rechnen damit, noch 2022 Insolvenz anmelden zu müssen. Besonders betroffen sind die Produzenten von Topforchideen, um 25 Prozent ist die Anbaufläche geschrumpft. Viele Gewächshäuser stehen schlichtweg leer. Künftig könnte es daher deutlich weniger niederländisches Obst und Gemüse in den Supermarktregalen geben.

„Diese Krise unterscheidet sich von der Corona-Krise, die kurz und heftig war. Die aktuelle Energiekrise sorgt für eine Kostensteigerung, die nicht mehr zum Erlösmodell passt“, sagt Jakoline van Straalen vom niederländischen Fachverband der Gewächshausbauern. Die Regierung in Den Haag müsse nun zügig handeln. „Ohne Unterstützung der Regierung wird diese Krise katastrophale Folgen für die niederländische Wirtschaft, die aufgebauten Handelspositionen, den Forschungs- und Wissensbereich, den Arbeitsmarkt und die Klimaambitionen haben“, so van Straalen. Klar ist: Gewächshäuser benötigen viel Energie. Für die Beleuchtung der Pflanzen wird Strom gebraucht, für die Beheizung in der Regel Gas.

Doch wie gehen deutsche Landwirte mit der Energiekrise um? „Der deutsche Landwirt neigt eher dazu, sich langfristig zu binden. Daher laufen bei den meisten die Energielieferverträge erst Ende 2023 oder Ende 2024 ab. Das gibt Planungssicherheit“, sagt Carsten Knodt, Gemüsebauer aus Tönisvorst. Viele niederländische Bauern hätten dahingegen flexible Verträge geschlossen. Das würde auch für einige Kollegen in Bayern gelten. „Da gibt es Landwirte, die die gesamte Produktion nun umstellen, und beispielsweise später pflanzen“, sagt Knodt.

Die Preise für Energie sind nämlich dramatisch hoch. „In meinen Augen ist es so, dass man, wenn man die Energie zu den aktuellen Marktpreisen beziehen muss, kaum mehr produzieren kann. Sicherlich kann man versuchen, die gestiegenen Kosten an den Verbraucher weiterzugeben. Aber wenn die Produkte dann nicht verkauft werden, hat man nichts gewonnen“, sagt Knodt, der Ende 2020 in 2,2 Hektar große Gewächshäuser investiert hat, die klimaneutral bewirtschaftet werden. Die Hauptenergiequelle sind Holzkessel. Geheizt wird mit Restholz, das sonst in der Müllverbrennung landen würde. Als weitere Energiequelle dienen zwei mit Biogas befeuerte Blockheizkraftwerke, die Strom und Wärme produzieren. Das Dach der Sortierhalle des Gemüsebaubetriebes ist zudem mit einer Photovoltaikanlage bestückt. „Wir werden auf jeden Fall weiterhin produzieren“, sagt der Landwirt. Allerdings weist er auf weitere Probleme hin. So schlägt sich etwa die Erhöhung des Mindestlohnes auf der Kostenseite nieder.

Paul van den Broek betreibt in Straelen eine der größten Gewächshausanlagen am Niederrhein. Auch er bestätigt, dass die Situation für die Branche brenzlig sei. „An allen Fronten sind die Kosten gestiegen: die Energiepreise, die Transport-, Dünger- und Personalkosten. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass einige darüber nachdenken, aufzuhören.“ In den Niederlanden hätten viele Gas an der Börse eingekauft. „Das rächt sich nun, während in Deutschland fast alle langfristige Verträge haben“, sagt van den Broek.

Bei ihm würde der Gedanke, aufzuhören, noch keine Rolle spielen. „Die Energielieferanten setzen den Preis hoch. Es gibt Landwirte, deren Stromkosten sich daher versiebenfacht haben. Gleichzeitig können wir den Preis nicht eins zu eins an den Kunden weitergeben“, sagt van den Broek. Man könne auch nicht einfach die Temperatur im Gewächshaus drosseln. „Das verkraften die Pflanzen nicht, dann kommt es zu Schimmel und Infektionen“, sagt der Landwirt.

Peter Muß vom Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauern bestätigt, dass die Sorge vor dem Auslaufen der Energielieferverträge groß sei. „Damit werden dann die Energiepreise um ein Vielfaches steigen. Auch beim Heizen mit Kohle sind deutliche Preissteigerungen zu erwarten, da nach heutigem Stand Anfang 2023 eine weitere Stufe der CO2-Bepreisung in Kraft treten wird. „Die Steigerung der Preise der verschiedenen Energieträger werden zu wirtschaftlicher Not führen“, sagt Muß. Die Anbauer in Deutschland und den Niederlanden hätten die Pflanzung von Tomatenkulturen nach hinten verschoben, um Heizkosten und Kosten für die Beleuchtung der Pflanzen zu sparen.

„Der Unterglasanbau ist sehr energieintensiv. Sollten die Energiepreise auf dem jetzigen Niveau bleiben oder gar weiter ansteigen, werden viele Betriebe den Anbau einstellen oder die Kulturen so umstellen müssen, dass eine Heizung nicht mehr erforderlich ist. Dies könnte durch eingeschränkte Anbauzeiträume oder andere, weniger energieintensive Kulturen geschehen“, sagt Muß. Eine Folge sei, dass bestimmte Gemüsearten nicht mehr aus heimischem Anbau angeboten werden könnten — nicht nur die Tomate, sondern auch Paprika und Gurken.

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