Düsseldorf Kunden-Ärger über Lebensversicherung

Düsseldorf · Tausende Versicherte haben sich beim Ombudsmann beschwert. Ein BGH-Urteil, das viele Kunden bei Kündigung ihrer Verträge besser stellt, wurde offenbar nur schleppend umgesetzt. Experten raten, Policen nicht zu kündigen.

Im Juli des vergangenen Jahres hat der Bundesgerichtshof ein Urteil gefällt, aus dem sich für viele Kunden von Lebens- und privaten Rentenversicherern, die vorzeitig aus ihrem Vertrag aussstiegen, ein möglicher Rückzahlungsanspruch ergibt. Doch darauf haben die Versicherer offenbar nur langsam reagiert – so langsam, dass Tausende Versicherte sich beschwerten, und zwar beim Ombudsmann der Branche. Günter Hirsch, der gestern seine Bilanz für 2012 vorlegte, hat jedenfalls seit dem Jahreswechsel etwa 1500 zusätzliche Beschwerden allein wegen des neuen Ärgers um die Lebensversicherung verzeichnet. Mittlerweile hat der Beschwerde-Strom nach Angaben des Ombudsmannes allerdings nachgelassen. Trotzdem dürfte unter dem Strich für 2013 ein Anstieg der Beschwerdezahlen stehen, hat Hirsch vorausgesagt.

Rückzahlungen nach Kündigung sind ein schwieriges Thema. Tausende Kunden, die ihrem Anbieter – ob aus Not, Ärger oder sonstigen Gründen – während der Laufzeit der Police den Rücken gekehrt haben, kämpfen um Nachzahlungen. Sie berufen sich auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Juli 2012 (Aktenzeichen IV ZR 201/10). Der hatte damals Vertragsklauseln des Deutschen Rings zu Kündigung und Stornoabzug gekippt. Diese Klauseln hatten dazu geführt, dass Kunden nach einer Kündigung wenig bis gar kein Geld zurückerhielten. Der Versicherer verrechnete die eingezahlten Beiträge mit den Abschluss- und Verwaltungskosten sowie den Stornogebühren. Je früher ein Kunde kündigte und je weniger er also eingezahlt hatte, umso größer war die Gefahr, dass er nach der Kündigung leer ausging. Drei Monate nach der Entscheidung gegen den Deutschen Ring fällte der BGH ein ähnliches Urteil bei Klauseln der Generali-Versicherungsgruppe (Aktenzeichen IV ZR 202/10).

Nach dem Tenor dreier anderer BGH-Entscheidungen (Aktenzeichen: IV ZR 162/03, 177/03 und 245/03) darf der so genannte Rückkaufswert einer Kapitallebensversicherung bei vorzeitigem Ausstieg nicht mehr auf Null sinken. Mindestens knapp die Hälfte der eingezahlten Beiträge muss zurückfließen. Im Wortlaut heißt es: die "Hälfte des ungezillmerten Deckungskapital zuzüglich Überschussbeteiligung" muss zurückfließen. Ungezillmert bedeutet, dass der Versicherer die Abschlusskosten einer Lebensversicherung nicht mit den Beiträgen der ersten Jahre verrechnen darf, sondern über die gesamte Laufzeit verteilen muss.

"Es gab eine große Rechtsunsicherheit", sagte Hirsch gestern. Die resultiert auch aus unterschiedlichen Interpretationen des BGH-Urteils vom Juli 2012. Danach war nämlich für viele nicht klar, ob sich der Richterspruch nur auf Verträge bezog, die bis 2007 geschlossen wurden. Tatsächlich waren ab 2008 geschlossene Verträge nicht Gegenstand der Klagen. "Es ist nachvollziehbar, dass diese Entscheidung zunächst zu einer gewissen Rechtsunsicherheit geführt hatte", sagte gestern ein Sprecher des Branchenverbandes GDV auf Anfrage. Bei den Beschwerden im Zuge der BGH-Rechtsprechung vom Juli sei der Verband erfreut, dass laut Auskunft des Ombudsmanns, diese ganz überwiegend einvernehmlich zwischen Kunden und Unternehmen erledigt worden seien.

Unabhängig von allen rechtlichen Ansprüchen, die Lebensversicherungskunden nach einer Kündigung gegen ihren Versicherer haben könnten, hat sich an einer Einschätzung von Branchenexperten nichts geändert: Es ist nie ratsam, seine Versicherung vorzeitig zu kündigen, denn Geld verliert man dabei immer. Wer dauerhaft oder vorübergehend nicht in der Lage ist, seine Beiträge zu zahlen, sollte den Vertrag ruhend stellen, auch die Dynamik streichen oder die Police an andere Anbieter verkaufen.

(RP)
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