Düsseldorf Kündigungen bei Ergo möglich

Düsseldorf · Der von AWD geholte Vertriebschef Rolf Wiswesser greift durch: Die Düsseldorfer Versicherung streicht jede vierte Stelle im Vertrieb. Das habe nichts mit der Skandal-Reise nach Budapest zu tun, sondern soll mehr Effizienz bringen. Verdi spricht von einer unternehmerischen Fehlentscheidung.

Seit einem Jahr ist Rolf Wiswesser Vertriebsvorstand der Ergo-Versicherung. Nun holt der 48-Jährige, der zuvor beim Finanzdienstleister AWD gearbeitet hat, den Besen raus und baut den Vertrieb der Ergo radikal um. Die fünf Vertriebsorganisationen, die heute nebeneinander bestehen, sollen zu einer neuen Vertriebsgesellschaft zusammengefasst werden. Im Zuge des Umbaus sollen 1350 Arbeitsplätze gestrichen werden, wie die Ergo gestern mitteilte.

Damit muss jeder vierte Mitarbeiter im Vertrieb gehen. Betroffen sind 700 Angestellte im Außendienst und 650 im Innendienst. "So sichern wir die Zukunft unserer Vertriebe, reduzieren die Komplexität in den Vertriebsstrukturen und somit auch die Kosten", sagte Wiswesser. In Konzern-Kreisen heißt es, der Plan habe schon lange bestanden; für seine Umsetzung sei Wiswesser von der AWD geholt worden, die für wenig zimperlichen Umgang mit Beschäftigten bekannt ist.

Die Ergo beschäftigt in Deutschland 19 600 Mitarbeiter, 4450 davon in Düsseldorf, wo auch die Konzernzentrale sitzt. Wie stark sie betroffen sein wird, steht noch nicht fest. "Nicht sehr stark", erwartet die Ergo-Sprecherin, da der Vertrieb bundesweit gestrafft werden soll. So sollen 100 der 218 Regionalgesellschaften geschlossen werden. Durch das Programm will der Konzern 164 Millionen Euro im Jahr einsparen.

Ein neuer Schlag für die Mitarbeiter. Zwischen 2008 und 2010 hatte Ergo in der Verwaltung bereits 1800 Stellen abgebaut. Der Konzern erklärte nun: "Die Unternehmensleitung strebt eine sozialverträgliche Umsetzung an." Doch wenn sich nicht genug Mitarbeiter finden, die per Vorruhestand und Abfindung ausscheiden oder eine andere Stelle im Konzern antreten, sind auch betriebsbedingte Kündigungen denkbar. Kündigungen sind nur noch bis Ende des Jahres ausgeschlossen; den entsprechenden Tarifvertrag hatte Ergo nicht mehr verlängert.

Das erzürnt die Gewerkschaft Verdi. "Die Ergo gibt zum Jahresende viele Schutzregeln für Arbeitnehmer wie das Kündigungsverbot auf. Offenbar will der Konzern den Abbau gar nicht sozialverträglich gestalten", sagte Frank Fassin, der für Verdi im Ergo-Aufsichtsrat sitzt. Das Vorgehen gegen die Arbeitnehmer sei ein Paradigmenwechsel, so etwas habe es in der Versicherungsbranche noch nicht gegeben. Fassin hält den geplanten Abbau für eine "unternehmerische Fehlentscheidung". Die Ergo verliere seit Jahren überproportional Marktanteile. "Sie müsste den Vertrieb stärken, statt dessen halbiert sie ihn."

Mit der Skandalreise von selbstständigen Vertretern nach Budapest im Jahr 2007 habe der Umbau "überhaupt nichts zu tun", betonte die Ergo-Sprecherin. Es gehe darum, der Straffung der Marken eine Straffung des Vertriebs folgen zu lassen. 2010 hatte Ergo Marken wie Hamburg-Mannheimer und Victoria eingestellt, nun gibt es noch die Marken Ergo, DKV (Krankenversicherung) und DAS (Rechtschutzversicherung) sowie die Europäische Reiseversicherung. Die Umorganisation soll dazu führen, dass die Vertriebsmitarbeiter künftig einheitlich beraten und Policen aus einer Hand anbieten.

Allerdings könnte die im Zuge der Budapest-Reise in die Kritik geratene Vertriebsorganisation HMI, die heute Ergo Pro heißt, mittelfristig in die neue Vertriebsgesellschaft aufgenommen werden. Die neue Gesellschaft soll in Düsseldorf angesiedelt und Wiswesser voraussichtlich deren Chef werden.

Grund für das Sparprogramm ist offenbar auch die Unzufriedenheit der Ergo-Mutter Münchener Rück mit den Gewinnen der Ergo. Die Düsseldorfer Tochter schafft nur eine Eigenkapital-Rendite von vier Prozent. Die Münchener Rück würde aber gerne 15 Prozent sehen.

(RP)
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