Wohnungswirtschaft Vonovia verunsichert Mieter
Düsseldorf · Ein Investoren-Papier des Bochumer Wohnungskonzerns sorgt für Irritation. Dort ist von Kündigungen von Mietverträgen als letztem Mittel die Rede. Der Konzern versucht zu beruhigen.
Sozial orientierte Wohnungsunternehmen würden „auch in der Energiekrise keine Kündigungen aufgrund von Zahlungsverzug bei den Nebenkostenabrechnungen vornehmen“, hat Axel Gedaschko, Präsident des Verbandes der Wohnungsunternehmen, vergangene Woche gesagt. Mehrere Unternehmen betonten, sie würden gemeinsam mit Mietern nach Lösungen suchen. Tenor: Niemand muss sich in der Energiekrise Sorgen um seine Wohnung machen.
Nicht mal sieben Tage später sorgt ein Extrakt aus einem Papier zum Investorentag des Wohnungskonzerns Vonovia für Irritation. Aus diesem Papier zitierte am Dienstag die Nachrichtenagentur Reuters. Darin heißt es unter anderem, der Konzern kontaktiere Mietparteien, um die Gründe für Zahlungsversäumnisse zu erfahren. Gebe es Hilfen vom Staat, informiere Vonovia darüber, wie man diese erhalte. Kämen Mieter trotz eines Angebots individueller Lösungen durch Vonovia ihren Zahlungsverpflichtungen nicht nach, schicke der Konzern ihnen eine formelle Zahlungsaufforderung. Summierten sich die Rückstände auf den Wert von zwei Monatsmieten, komme es in einem letzten Schritt zur Räumungsklage.
Vonovia erklärte dazu auf Anfrage, in dem Papier werde „vor allem ein juristischer und technischer Prozess beschrieben“. Man unternehme viele Schritte, um eine gemeinsame Lösung mit betroffenen Mietern zu finden, und strebe stets Lösungen wie Ratenzahlungen und Stundung sowie Unterstützung bei Behördengängen an. Eine Kündigung sei stets der allerletzte Schritt: „Wir haben kein Interesse daran, dass Menschen ihre Wohnung verlieren. Wir haben das diskutierte Kündigungsmoratorium von Anfang an unterstützt. Es muss eine dauerhafte Lösung für die hohen Energiekosten geben, aber bis dahin finden wir als Vermieter eine Lösung mit den Mieterinnen und Mietern“, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Konzernchef Rolf Buch präzisierte den Adressatenkreis: „Nur bei Mietern, die absolut nicht mit uns reden wollen, sieht es anders aus.“
Nun ist ein privater Wohnungskonzern kein Wohlfahrtsunternehmen. Deshalb sind bei Investorentagen verständlicherweise auch Statements im Sinne der Geldgeber angesagt. Dazu gehören jene, die einerseits eine Steigerung oder Stabilisierung von Einnahmen und andererseits Kostendisziplin versprechen. Und die signalisieren, man habe auch eine schwierige Situation wie die Energiekrise im Griff. Vertrauensbildende Aussagen also – bei einem Unternehmen wie Vonovia, dessen Aktionäre in den vergangenen sechs Monaten einen Börsenwertverlust von rund 50 Prozent verkraften mussten, verständlich. Vertrauen schaffen sollen auch Ankündigungen, Vonovia wolle in den nächsten Jahren 13 Milliarden Euro aus dem Verkauf von Wohnungen und Häusern einnehmen.
Bei Aktionärsschützern genießt der Konzern mit seinem Kurs zunächst Vertrauen: „Vonovia hat in der Pandemie gezeigt, dass es Verantwortung auch gegenüber den Mietern übernimmt. Ich gehe fest davon aus und erwarte vom Management, dass es diesen Weg auch in der Energiekrise geht“, sagte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, unserer Redaktion. Lukas Siebenkotten, Präsident des Deutschen Mieterbundes, warnte: „Es muss gesetzlich verhindert werden, dass Vermieter die Not der aufgrund der enormen Energiepreise unverschuldet in Zahlungsrückstand geratenen Mieterinnen und Mieter ausnutzen, um Wohnungen leerzuziehen und sie anschließend renditeträchtig teuer weitervermieten zu können. Genau aus diesem Grund brauchen wir dringend ein Kündigungsmoratorium.“