Essen Kritik an Parteispenden von Evonik

Essen · Die Tochter der RAG-Stiftung hat seit 2007 über 1,4 Millionen Euro an Parteien gespendet. Juristen sprechen von einer "Grauzone". Missbraucht die Politik ihren Einfluss auf die Stiftung oder verhält sich Evonik nur wie andere Konzerne?

Trotz scharfer Kritik will die RAG-Stiftungstochter Evonik AG auch in diesem Jahr wieder Geld an politische Parteien spenden. Auf eine entsprechende Frage sagte eine Sprecherin des Chemiekonzerns: "Ja. Evonik wird auch in Zukunft einen Beitrag zur Unterstützung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und sozialer Marktwirtschaft in Deutschland leisten." Über die Höhe der für 2014 geplanten Spenden machte sie keine Angaben.

Nach Recherchen des "Stern" hat die Tochter der RAG-Stiftung, die 2007 zur Finanzierung der langfristigen Folgekosten des Steinkohlenbergbaus gegründeten wurde, seither knapp 1,2 Millionen Euro an politische Parteien gestiftet. In Wahrheit war der Betrag noch größer. Nach Angaben der Sprecherin spendete die RAG-Stiftung seit 2007 sogar über 1,4 Millionen Euro an die Parteien CDU/CSU (569 500 Euro), SPD (541 000 Euro) und FDP (283 000 Euro). Im vergangenen Jahr bedachte Evonik erstmals auch die Grünen mit einer Spende in Höhe von 20 000 Euro.

"Das hat mehr als nur ein Geschmäckle", sagt Eberhard Kanski vom Bund der Steuerzahler in NRW. Die RAG-Stiftung habe mit der Finanzierung der Ewigkeitslasten des Bergbaus eine wichtige Aufgabe übernommen. "Dafür muss die RAG-Stiftung das Geld, und zwar auch das Geld ihrer Tochter Evonik, zusammenhalten", so Kanski. Wenn sie stattdessen politische Landschaftspflege betreibe, "schadet sie dem Steuerzahler".

Für die Spätschäden des Bergbaus braucht die RAG-Stiftung nach eigenen Angaben ab 2018 18 Milliarden Euro an Rücklagen. Ihr aktuelles Vermögen beträgt rund zwölf Milliarden Euro und besteht vor allem aus einem 67-Prozent-Anteil am Chemiekonzern Evonik, der Dividenden an die Stiftung ausschüttet.

Chef des Evonik-Aufsichtsrates ist der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Werner Müller, der zugleich auch der RAG-Stiftung vorsteht. Die personellen Verflechtungen zwischen Stiftung und Politik waren schon oft Anlass für Kritik. So musste der Finanzchef der RAG-Stiftung, Helmut Linssen, vor wenigen Wochen als Bundesschatzmeister der CDU abtreten, als er wegen privater Offshore-Geldgeschäfte unter Druck geriet. Werner Müller ist parteilos, steht aber der SPD nahe.

Neben Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) gehören dem obersten Lenkungsgremium der Stiftung auch die Ministerpräsidentinnen von NRW (Hannelore Kraft, SPD) und vom Saarland (Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU) an. Mit ihrem ehemaligen Fraktionsgeschäftsführer Lukas Beckmann sind seit 2012 auch die Grünen vertreten.

Immer wieder dringt politischer Zank um die Stiftungsposten nach außen. Kanski: "Wegen der Besetzung zahlreicher Stiftungs-Posten mit Spitzenpolitikern steht die RAG-Stiftung schon in der Kritik. Sie sollte nicht auch noch finanzielle Verflechtungen mit der Politik eingehen."

Der Düsseldorfer Parteienrechtler Martin Morlok hält die Parteispenden von Evonik als einem von der Stiftung kontrollierten Konzern für rechtlich bedenklich. "Unternehmen, die der öffentlichen Hand gehören, dürfen kein Geld an Parteien spenden", sagt Morlok. Zwar gehörten weder Evonik noch die Stiftung dem Staat. "Aber der politische Einfluss auf beide ist so maßgebend, dass die Spenden sich zumindest in einer Grauzone bewegen", meint Morlok.

Laut Evonik entscheidet über Parteispenden "allein der Vorstand von Evonik". In der Vergangenheit habe Werner Müllers Vorgänger Wilhelm Bonse-Geuking die Spenden "umfassend analysiert und geprüft". Ob der frühere Bundeswirtschaftsminister Müller selbst auch Kenntnis hatte, blieb gestern unklar. Er selber hatte als früherer Manager von Veba (jetzt Eon) den früheren niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder (SPD) unentgeltlich bei Energiepolitik beraten – als Schröder Bundeskanzler wurde, holte er Müller in sein Kabinett.

Evonik teilt zu der Diskussion jedenfalls mit: Das gesellschaftliche Engagement des Konzerns – dazu zählt er auch die Parteispenden – gefährde den Stiftungszweck der RAG-Stiftung "in keiner Weise".

(RP)
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