Der Ökonom Krankenkassen im Wettbewerb

Das Gesundheitssystem ist für Wirtschaftspolitiker ein schwieriges Terrain. Zu viele Ziele sind gleichzeitig zu erfüllen: der freie Zugang zu Arzt und Krankenhaus, unabhängig vom Einkommen, Sparsamkeit und Effizienz, und schließlich rascher medizinischer Fortschritt.

Das deutsche System zeichnet sich durch ein großes Maß an individueller Freiheit, Gleichheit und hohem Standard aus. Zugleich ist es teuer, hat wenig Wettbewerb unter den Anbietern von Gesundheitsleistungen und ist nicht immer patientenfreundlich. Ein Ansatz zur Eindämmung der Kosten und zur Verbesserung der Patientenzufriedenheit ist das Maß an Wettbewerb der Krankenkassen. Unter den privaten klappt er nur beim Ersteintritt. Wer sich einmal für eine Kasse entschieden hat, ist de facto sein ganzes Leben gefangen. Denn der Versicherer bildet Altersrückstellungen, die beim Wechsel des Anbieters nicht übertragbar sind. Deshalb plündert die Privatkasse ihren Versichertenbestand in der Regel kräftig aus, um mit Lockvogel-Angeboten Neukunden zu gewinnen.

Bei den Sozialkassen ist der Wettbewerb stärker, weil es leichter möglich ist, die Krankenversicherung zu wechseln. Wettbewerbsparameter sind der Beitragssatz und der Kundenservice. Die Gesundheitsreform der ersten großen Koalition hat das System eingeebnet, indem sie den Kassenbeitrag auf 15,5 Prozent festgeschrieben hat. War zunächst überhaupt kein Wettbewerb mehr möglich, schufen die Änderungen der schwarz-gelben Koalition mit dem Zusatzbeitrag zumindest ein kleines Fenster. Kassen, die gut wirtschafteten, konnten Beiträge an ihre Versicherten zurückzahlen; jene, die verschwendeten, mussten einen Zusatzbeitrag erheben.

Da der Zusatzbeitrag sozial ausgeglichen wurde, erwies sich das Instrument als stumpf. Jetzt gibt es einen einheitlichen Beitragssatz für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Wenn die Kassen damit nicht auskommen, müssen sie einen prozentualen Zusatzbeitrag erheben. Der fördert den Wettbewerb und ist sozial gerecht. Mischt sich die Politik nicht ein, könnte daraus Druck für mehr Effizienz im Gesundheitssystem entstehen. Ein kluger Schritt.

Fragen? Schreiben Sie dem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort