Bochum Kraft kritisiert Opel-Chef

Bochum · Turbulent lief die gestrige Betriebsversammlung im von der Schließung bedrohtem Bochumer Werk von Opel. Vorstandschef Karl-Friedrich Stracke hält sich alle Optionen offen. Die Ministerpräsidentin fand als Gast klare Worte – und ein Arbeitnehmer drohte dem Vorstand mit Haft.

Dass die gestrige Belegschaftsversammlung bei Opel brisant wird, stand vorher fest. Als aber ein Betriebsrat am Podium mitgebrachte Handschellen hochhielt und sagte, Vorstandschef Karl-Friedrich Stracke und die anderen Manager machten sich der Epressung im Sinne des Strafgesetzes schuldig und müssten an sich abgeführt werden, donnerte Applaus unter den bis dahin eher zurückhaltenden rund 3000 Mitarbeitern. "Wenn Ihr Opel schließt, brennt die Ruhr", rief ein zweiter Belegschaftsvertreter. Und als sich um zehn Uhr das Gerücht verbreitete, Stracke wolle gehen, stichelte Betriebsratschef Rainer Einenkel: "Es gibt noch 14 Fragesteller. Bis Sie um elf Uhr Ihr Schluss-Statement halten, müssen die alle ran."

Von 8.30 Uhr früh bis elf Uhr stritten in der rein internen Versammlung gestern Management, Politik und Belegschaft über die Zukunft des 50 Jahre alten Opel-Standort Bochum. "Betriebsrat. Opel" stand riesig auf einem gelben Transparent hinter der Bühne. Per Großleinwand wurden alle Reden gezeigt – damit auch die hinteren, stehenden Reihen gut sehen konnten. Den größten Beifall fand Ministerpräsidentin Hannelore Kraft mit einer Mischung aus Solidaritätsadresse an die Belegschaft und Gesprächsangebot an das Management. "Wir sind bereit, nach Amerika zu kommen, um über Alternativen nachzudenken", sagte sie.

Das Abwägen von Standorten sei für einen Weltkonzern zwar nicht ganz ungewöhnlich. Doch NRW sei ein so gut vernetztes Zentrum der Autoindustrie und ein so wichtiger Opel-Absatzmarkt, dass Mutterkonzern General Motors sich nicht zurückziehen dürfe. Kraft: "Die Totenglöcklein in Bochum dürfen nicht läuten. Wir fordern ein Ende des Standortpokers."

Obwohl immer wieder Klarheit zur Zukunft des Bochumer Werkes gefordert wurde, verweigerte Top- Manager Stracke konkrete Aussagen:. Für Bochum spräche zwar "die sehr gute Qualität", sagte er als früherer Fertigungs-Leiter des Werkes. Doch Bochum hätte "die höchsten Kosten". Entschieden über die Fabrik werde aber "erst auf der Aufsichtsratssitzung am 28. Juni", sagte er mehrfach. Seine Aussagen waren so schwammig, dass er Zwischenrufe provozierte. Auch die Ministerpräsidentin rügte ihn: "Zu sagen, dass es keine Planung für die Standorte gäbe, ist nicht schlüssig", betonte die Ökonomin.

Tatsächlich sieht es alles andere als gut aus in der arg gebeutelten Ruhrgebiets-Stadt. Opel verkündete vergangene Woche offiziell, dass der Mittelklassewagen Astra ab 2014 in England und in Polen gebaut wird und darum nicht mehr im europäischen Hauptwerk Rüsselsheim. Rüsselsheim erhält wiederum die bisher in Bochum angesiedelte Produktion des Familienvan Zafira – wodurch das Werk in Bochum ansich weitgehend überflüssig wird.

So wettert die Bochumer Belegschaft denn auch am meisten gegen die Verlagerung der Astra-Produktion von Rüsselsheim nach Großbritannien. Die EU solle prüfen, ob die britische Regierung die Produktionsverlagerung illegal subventioniert, erklärte ergänzend Gesamtbetriebsratschef Wolfgang Schäfer-Klug aus Rüsselsheim. Und Betriebsrat Einenkel aus Bochum forderte klare Solidarität aller deutschen Opel-Standorte: "Solange unser Überleben hier nicht gesichert ist, darf es keine Zugeständnisse von anderen Werken geben."

Wie geht es weiter? Hannelore Kraft will mit den drei Ministerpräsidenten der Länder mit Opel-Werken Hessen, Rheinland-Pfalz und Thüringen gegen Werksschließungen antreten – und sie drängt auf neue Aufträge möglicherweise für das Elektroauto Ampera oder einen Chevrolet.

Mehrere Betriebsräte drohten gestern indirekt mit einer Besetzung des Bochumer Werkes, wenn das Aus beschlossen wird. Indirekt konterte Stracke die Andeutungen: "Ich stehe zu unserer Vereinbarung, dass der Zafira bis 2014 in Bochum gebaut wird." Was er damit offen lässt: Wenn gestreikt wird, kommt die Verlagerung erst recht – und zwar früher.

(RP)
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