Düsseldorf Konsum treibt deutsche Wirtschaft

Düsseldorf · Das Bruttoinlandsprodukt wuchs im vergangenen Jahr um 1,9 Prozent. Viele Ökonomen hatten mit deutlich weniger gerechnet. Gestützt wurde die positive Entwicklung insbesondere durch die Kauflaune der Deutschen.

Die hiesige Wirtschaft ist im vergangenen Jahr unerwartet stark gewachsen. Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden gestern mitteilte, wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) - also der Wert aller Güter und Dienstleistungen, die 2016 in Deutschland produziert wurden - um 1,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr. "Wir blicken auf ein relativ gutes Jahr zurück", sagt Galina Kolev, Konjunkturexpertin am arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW), "das Wachstum fällt überraschend hoch aus, bedenkt man, wie viele Unsicherheiten es im vergangenen Jahr gab: etwa die ungelösten Strukturprobleme in den Schwellenländern, den schwachen Welthandel, aber natürlich auch das Votum zum Brexit und die Wahl Donald Trumps."

Doch was sind die Ursachen dafür, dass die Wirtschaft derart gut dasteht? "Maßgeblicher Treiber des Wachstums ist der private Konsum. Mit gut einem Prozentpunkt steht er für mehr als die Hälfte des Wachstums", sagt Peter Hohlfeld, Konjunkturexperte am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Grund sei vor allem die sehr gut ausgefallene Lohnentwicklung, die gesamtwirtschaftlich betrachtet im Durchschnitt 2,5 Prozent ausmache. "Da zeitgleich der Anstieg der Preise mit 0,5 Prozent moderat ausfiel, blieb den Verbrauchern am Ende ein reales Plus von rund zwei Prozent im Geldbeutel."

Auch der Staat trug seinen Anteil bei. Dessen Ausgaben nahmen um 4,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu. "Dieser kräftige Anstieg ist unter anderem auf die hohe Zuwanderung von Schutzsuchenden und die daraus resultierenden Kosten zurückzuführen", teilte das Statistische Bundesamt mit. Und man dürfe nicht vergessen, dass natürlich auch die Flüchtlinge konsumierten, fügt IW-Expertin Kolev hinzu. Auch dies treibt die Konjunktur an.

Neben den Konsumausgaben nahm die Bautätigkeit deutlich zu. Hohlfeld rät jedoch dazu zu unterscheiden: "Der Wohnungsbau hat wegen der guten Einkommenssituation der Bürger stark zugelegt." Dort hätte auch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank eine Rolle gespielt: "Aus Mangel an risikoarmen Alternativen haben die risikoscheuen Bürger ihr Geld lieber in eine sichere Immobilie investiert", sagt er. Anders sehe es dagegen beim Wirtschaftsbau aus. "Der dümpelte im vergangenen Jahr vor sich hin. Die Unternehmen sind bei den Investitionen extrem vorsichtig."

Der Impuls vom Außenbeitrag fiel nach den vorläufigen Zahlen negativ aus. "Er hätte aber noch negativer sein können, wenn die Abwertung des Euro nicht stattgefunden hätte", sagt IW-Ökonomin Kolev. Mit Blick auf 2017 geht sie von einer etwas abgeschwächten Entwicklung aus, schließlich sei im vergangenen Jahr auch eine Reihe von Einmalfaktoren zum Tragen gekommen - beispielsweise die niedrigen Energiepreise zum Jahresauftakt 2016. Auch blieben viele Unsicherheiten bestehen: "Deshalb sind die Unternehmen äußerst zurückhaltend, beschränken sich bei den Investitionen allenfalls auf zwingend Nötiges", sagt Kolev. Sie rechnet für 2017 mit einem Wachstum von gut einem Prozent.

Böckler-Experte Hohlfeld geht ebenfalls von einer Investitionszurückhaltung der deutschen Unternehmen aus: "Zwar hat der künftige US-Präsident ein massives Infrastrukturprogramm angekündigt, aber zugleich könnten hiesige Unternehmen dabei nicht zum Zuge kommen, wenn Trump zeitgleich seine harte Linie des Protektionismus verfolgt." Die Weltwirtschaft könnte unter einem Handelskrieg genauso leiden wie die der Exportnation Deutschland. Für das laufende Jahr rechnet Hohlfeld daher lediglich mit einem Anstieg des BIP um 1,2 Prozent. "Das liegt daran, dass sich die privaten Konsumausgaben wegen der anziehenden Inflation weniger gut entwickeln werden." Die Teuerungsrate erreichte bereits im Dezember mit 1,7 Prozent den höchsten Stand seit dreieinhalb Jahren. Ein Grund ist der gestiegene Ölpreis. Auch der Staat werde bei seinen Ausgaben zurückhaltender sein, mutmaßt Hohlfeld. Hinzu kommt ein negativer Impuls beim Außenbeitrag.

Allerdings müsse man bei der Betrachtung aufpassen: "Wegen der Lage der Feiertage in diesem Jahr und durch den zusätzlichen arbeitsfreien Reformationstag ergibt sich ein Effekt von 0,3 Prozentpunkten. Ohne diese kämen wir auf ein Plus von 1,5 Prozent", sagt Hohlfeld.

Es gibt jedoch auch einige Argumente, die für einen anhaltenden Boom der Wirtschaft sprechen: Alle Experten rechnen 2017 mit einer Rekordbeschäftigung und Zehntausenden neuen Jobs. Zusammen mit steigenden Löhnen in vielen Branchen ist das ein Garant dafür, dass der private Konsum ein Pfeiler des Aufschwungs bleibt. Er macht etwa 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus und wirkt wie ein Schutzschild gegen außenwirtschaftliche Risiken. Gleichzeitig hilft hier jedoch der schwache Euro, der deutsche Waren in Übersee billiger macht.

(maxi)
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