Kommission will Ausstieg besiegeln Der gordische Kohle-Knoten

Berlin · Die Kohlekommission will ihre Arbeit an diesem Freitag abschließen. Das entscheidende Detail fehlt aber noch: das Datum für den Kohleausstieg. Daran könnten die Verhandlungen noch scheitern. Spekuliert wird über die Mitte der 2030er Jahre.

  Ein Schaufelradbagger im Braunkohletagebau Welzow-Süd (Archivfoto).

Ein Schaufelradbagger im Braunkohletagebau Welzow-Süd (Archivfoto).

Foto: dpa/Patrick Pleul

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD steht es auf Seite 142: Eine Kohlekommission soll ein Programm zur schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung erarbeiten – einschließlich eines Abschlussdatums. 300 Seiten ist der Entwurf nun dick, aber das Jahr, an dem Deutschland nach der Atomenergie auch endgültig aus der Kohle aussteigt, ist in der 28-köpfigen Kommission bis zuletzt heftig umstritten. Das sind die Baustellen beim Abschied von der Kohle, deren Verstromung die deutsche Bilanz bei der Einhaltung der Klimaschutzziele so trübt:

Wann ist Schluss mit der Kohle?

Die entscheidende Sitzung der Kommission im Bundeswirtschaftsministerium beginnt am Freitag um acht Uhr morgens, aber kaum jemand glaubt, dass sie um acht Uhr abends zu Ende sein wird. Notfalls soll am 1. Februar weiter verhandelt werden. Es wird spekuliert, dass das Ausstiegsdatum zwischen den „Extremen“  liegen wird – den Forderungen der Umweltexperten nach einem Ende bis 2030 und jenen von Vertretern aus Industrie, Wirtschaft und Politik nach einem Datum zwischen 2040 und 2045. Ein Ausstiegsszenario womöglich bis zum Jahr 2036 würde beiden Seiten große Zugeständnisse abverlangen. Im Herbst waren Meldungen noch dementiert worden, Ronald Pofalla, Bahnvorstand und einer der vier Vorsitzenden der Kommission, habe eine Einigung auf einen Termin zwischen 2035 und 2038 erzielt.

Können die monatelangen Verhandlungen noch scheitern?

Obwohl auch schon kleinteiligste Projekte vom Gewerbegebiet „Barmke“ im niedersächsischen Helmstedt über Pedelec-Schnellstraßen inklusive des Radweges Merzenich-Kerpen-Frechen in NRW bis zu „Gewinnungszulagen“ für Lehrer in der Lausitz vorgeschlagen wurden, sieht Kommissionsmitglied und Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser die Verhandlungen „am seidenen Faden“. Bis Donnerstag sei „keine einzige klimapolitische Frage“ beantwortet worden. Es fehle ein Konzept für das Erreichen der Klimaschutzziele in Jahresschritten. In dem Entwurf ist noch nicht beschrieben, wie der Ausstoß von Treibhausgasen sinken soll. Für Kaiser macht es keinen Sinn, Milliarden von Euro den Regionen und Konzernen für die Umstrukturierung „zu versprechen“, aber keine Vorgaben für den Klimaschutz zu machen. „Für uns ist klar: Bis 2030 müssen wir aus der Kohle ausgestiegen sein.“ BUND-Chef Hubert Weiger betont, dass der Erhalt des Hambacher Forstes in NRW und der Dörfer in Tagebau-Nähe ein zentrales Anliegen seien.

Ist der Atomausstieg und das Ende des Kohleabbaus nahezu zeitgleich möglich?

Umweltschützer sehen darin kein Problem, weil Deutschland „Stromexportweltmeister“ sei und genügend Reserven habe. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hält dagegen: „Ein großer Teil der Kommission hat nur ein Ziel: nämlich ein Ausstiegsdatum möglichst frühzeitig festzulegen. Davor kann man nur warnen.“ Deutschland steige Anfang der 2020er Jahre aus der Atomenergie aus. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass man parallel auch noch aus der Kohleverstromung aussteigen kann, ohne dass das negative Auswirkungen hat.“

Werden Bundesbehörden in die Kohleregionen verlagert, um alternative Arbeitsplätze zu schaffen?

In dem Entwurf werden als mögliche Institutionen dafür das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, das Bundesverwaltungsamt, Bereiche der Bundesnetzagentur, Standorte der Bundespolizei, ein Zentrum für die Sanierung von Bergbauregionen oder eine Agentur für Innovationen in der Cybersicherheit genannt. Das wird aber nicht konkretisiert. Vielmehr heißt es, dass „insbesondere bei Neugründungen und Erweiterungen“ und „gegebenenfalls bei Verlagerungen“ an eine Ansiedlung von den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen zu denken sei. Gerade Ostdeutschland wurde bisher vernachlässigt, was den Zuschlag für Bundesbehörden betrifft.

Was kostet der Kohleausstieg?

Nach jetzigen Schätzungen mehr als 50 Milliarden Euro. Darin sind Hilfen für die Beschäftigten der Kohlebranche, Investitionen in die Kohleregionen, Entlastungen beim Strompreis und Entschädigungen für die Kraftwerksbetreiber enthalten. Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagt: „Selbstverständlich muss der Kohleausstieg flankiert werden, damit die Regionen und Beschäftigten eine Perspektive haben und zukunftsfähig werden.“ Aber: „Es darf keinen solchen Blankoscheck für Kohlekonzerne geben. Das Geld fehlt dann gerade bei der Unterstützung der Regionen und der Beschäftigten.“ Öffentliche Gelder müssten für öffentliche Interessen eingesetzt werden. „Nur damit kann der gordische Knoten der Kommissionssitzung am Freitag zerschlagen werden.“

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