Berlin Koalitionsstreit um Kartellrecht für Krankenkassen

Berlin · Gegen die Pläne der Bundesregierung, die gesetzlichen Krankenkassen dem Kartellrecht zu unterwerfen, gibt es heftigen Widerstand. Die Kassen warnen davor, dass ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen Krebs, bei der Vorsorge und auch in Fragen des Leistungsrechts wie beispielsweise beim Mutterschutz schwieriger werden könnte.

Auch in den eigenen Reihen sind die Pläne umstritten. Die CSU ist dagegen, in der CDU regt sich teilweise Widerstand. Die Opposition läuft ohnehin Sturm gegen das Gesetzesvorhaben. Die Grünen sprechen von einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für das Kartellamt.

Geplant ist im Rahmen des neuen Wettbewerbsrechts die Krankenkassen dem Kartellamt zu unterstellen. Das federführende Wirtschaftsministerium argumentiert, so die Kontrolle bei Fusionen von Krankenkassen zu sichern. Auch die früheren Absprachen der Kassen, den unbeliebten Zusatzbeitrag zum gleichen Zeitpunkt einzuführen, sollen damit der Vergangenheit angehören.

Diese Argumente können die Kassen teils nachvollziehen. Sie fürchten aber, mit dem Kartellrecht in eine rechtlichen Zwickmühle zu geraten. Denn das Sozialgesetzbuch schreibt den Kassen die Zusammenarbeit vor. "Durch die noch weitere Übertragung des Kartellrechts auf die Krankenkassen ist die qualitativ hochwertige Versorgung der Versicherten gefährdet", sagte der Chef de AOK-Bundesverbandes, Jürgen Graalmann, unserer Zeitung. Wenn die Kassen beispielsweise bei der Krebsbekämpfung nicht uneingeschränkt zusammenarbeiten könnten, gehe für die Versicherten Kompetenz und Know How verloren. "Fehlende Zusammenarbeit könnte auch die Kosten für die Krankenversicherungen nach oben treiben."

Das Bundesversicherungsamt, das derzeit die Aufsicht über die Krankenkassen führt, warnt vor einer Vielzahl von Behörden und zwei Gerichtszweigen, die sich dann mit den gleichen Institutionen beschäftigt würden.

Auch in der Union sind die Pläne des FDP-geführten Wirtschaftsministers umstritten: "Krankenkassen sind keine normalen Unternehmen. Die Idee, das Kartellrecht auf die Kassen zu übertragen, ist ordnungspolitisch verfehlt", sagte Saarlands Sozialminister Andreas Storm (CDU) unserer Zeitung. Es gebe Felder, bei denen eine Kooperation der Kassen geradezu geboten sei, beispielsweise beim Mammographie-Screening.

In einem Brief an Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) warnt Unionsfraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) ebenfalls vor den Folgen einer Übertragung des Kartellrechts auf die Kassen. "Im Ergebnis führt die Regelung in der jetzigen Ausgestaltung zu Rechtsunsicherheit", heißt es in dem Schreiben.

Der Streit um das Kartellrecht für Krankenkassen zieht sich kreuz und quer durch die Reihen der Koalition. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn kann die Argumente der Kartellrechts-Gegner nicht nachvollziehen. "Das, was die Kassen in Kooperation leisten sollen, wird auch künftig möglich sein", betonte Spahn. Dort, wo es um kollektives Handeln der Kassen für die Versicherten gehe, soll das Sozialrecht vor dem Kartellrecht stehen, sagte Spahn.

(RP)
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