Einzelhandel Kleinstädte punkten bei der Nahversorgung

Düseldorf · Beim regelmäßigen Einkauf setzen die Menschen auf kurze Wege. Darum sind hier auch Klein- und Mittelstädte sehr beliebt. Warum das diesen Standorten beim Shopping trotzdem eher selten hilft.

In Klein- und Mittelstädten kaufen viele vor allem wegen der Nahversorgung ein.

Foto: dpa/Fabian Sommer

Seit dem Niedergang der Warenhäuser und den zahlreichen Standortschließungen bei Karstadt und Galeria Kaufhof sowie beim Nachfolgeunternehmen Galeria warnen viele Beobachter vor der drohenden Verödung deutscher Innenstädte – Unternehmen und Gewerkschaften genauso wie Wirtschaftsforscher und Kommunalpolitiker. Solche Einschätzungen vor allem für kleinere und mittelgroße Städte und Gemeinden haben in der Regel vor allem damit zu tun, dass diesen Standorten ein Einkaufsmagnet von einst verloren geht und befürchtet wird, dass zum Einkaufsbummel dann niemand mehr kommen mag.

Daran mag man zweifeln. Unabhängig davon ist das Bild, wenn es um Nahversorgung und regionale Einkäufe geht, ohnehin ein anderes. Wie aus dem neuen Standortmonitor des Handelsverbandes Deutschland (HDE) hervorgeht, können die Kleinen in diesen Bereichen durchaus noch punkten. Demnach nutzen immerhin 70 Prozent der vom HDE befragten 1200 Menschen ab 18 Jahren aus Klein- und Mittelstädten ihren Wohnort auch als Einkaufsort. „Beim Einkaufen setzen die Menschen auf kurze Wege. Mit ihrer Nähe zum Wohnort können die Einkaufsangebote in Klein- und Mittelstädten punkten“, erklärte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Nur knapp ein Drittel pendle zum Einkaufen in die nächstgelegene Stadt, was sich auch mit dem Einkaufsverhalten der Großstadtbewohner decke, so der Verband in einer Mitteilung.

In die Citys kleiner und mittlerer Kommunen in Deutschland zieht es etwa 60 Prozent der Befragten wegen kurzer Wege beim Einkauf. Fast die Hälfte schätze die angenehme und entspannte Atmosphäre und/oder die Übersichtlichkeit. Zudem sind kurze Wege ein wichtiges Argument für jene, die den Einkauf sozusagen im Vorbeigehen oder -fahren erledigen wollen. In Kleinstädten gibt es immerhin 38 Prozent aller Haushalte. Sie stünden, so der HDE, für rund 40 Prozent aller Einzelhandelsausgaben.

Sein Fazit: Der Monitor zeige, „dass entgegen einigen Prognosen, Klein- und Mittelstädte nach wie vor ein diversifiziertes Angebot für die ansässige Bevölkerung bieten“. Das ist aber eben nur der eine Teil der Wahrheit. Nahversorgung heißt Bäcker, Metzger, Supermarkt, Discounter, Drogeriemarkt und ähnliches mehr. Und regionale Produkte wie Obst und Gemüse kaufen viele gern auf einem Obsthof, so lange der nicht zu weit weg vom Wohnort oder zumindest auf dem Weg zwischen Arbeitsstätte und Zuhause liegt. Mit dem Shopping jener, die beispielsweise Bekleidung kaufen wollen, hat das aber nichts zu tun. Und das findet immer noch mehr in größeren Städten und/oder online statt. Beides hilft den kleineren Innenstädten nicht. Auch die Tatsache, dass in den Klein- und Mittelstädten mehr als ein Drittel der Befragten auf Einkaufsbummel geht, spricht nicht für ausreichende Attraktivität. Umgekehrt tun das eben zwei Drittel nicht. Die fahren dann in die größeren Städte oder kaufen vom eigenen Rechner oder Smartphone aus und lassen sich vielfach die Ware nach Hause schicken.

Insofern bleibt die Perspektive im Einzelhandel schwierig. Der Blick auf die Insolvenzen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres zeigt, dass die Zahl der Insolvenzanträge gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum um mehr als ein Fünftel gestiegen ist. Und auch der HDE selbst geht für das Gesamtjahr inflations­bereinigt nur von einem Umsatzwachstum von einem Prozent aus. Die Konsumunlust verderben oft hohe Lebensmittelpreise und die Unsicherheit über die weitere Konjunkturentwicklung. Hinzu kommt die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz.

Dieser Probleme ist sich auch Stefan Genth bewusst. Zwar machen aus Sicht des HDE-Haupt­geschäftsführers „die gute Versorgung mit Gebrauchsgütern, die schnelle Erreichbarkeit des Stadtzentrums und attraktive Einkaufsangebote Klein- und Mittelstädte zu besonders lebenswerten Orten“. Aber: Angesichts des strukturellen Umbruchs in vielen Innenstädten und der wachsenden Zahl von Leerständen gelte es vonseiten der Politik, die Rahmenbedingungen zu schaffen, um attraktive Stadtzentren zu erhalten.

Das bezieht sich nicht nur auf das Warenangebot, sondern auch auf andere Standortfaktoren. Bei Sicherheit und Sauberkeit, der Erreichbarkeit „durch alle Verkehrsmittel“ sowie bei Klimaschutzmaßnahmen gebe es viel zu tun. Darüber wird seit geraumer Zeit auch in der Politik debattiert. Das NRW-Bau- und Heimatministerium hat in den vergangenen Jahren in mehreren Schritten einen Innenstadtfonds in Höhe von insgesamt 100 Millionen Euro aufgelegt.