Medizinische Versorgung Fachärzte lassen Kassenpatienten warten

Berlin · Beim Hausarzt kommen Kassenpatienten meist ebenso schnell dran wie Privatpatienten. Auf einen Termin beim Facharzt muss dagegen jeder dritte Kassenpatient mehr als drei Wochen warten. Immerhin: Die Praxen in Nordrhein sind besser organisiert als der Schnitt.

 Jeder zweite Patient kommt in einer Praxis in Nordrhein binnen 15 Minuten an die Reihe. Jeder vierte muss jedoch über 30 Minuten warten (Symbolbild).

Jeder zweite Patient kommt in einer Praxis in Nordrhein binnen 15 Minuten an die Reihe. Jeder vierte muss jedoch über 30 Minuten warten (Symbolbild).

Foto: dpa/Patrick Seeger

Bei der medizinischen Versorgung gibt es in Deutschland keine Zwei-Klassen-Medizin, bei Wartezeiten dagegen schon. Das jedenfalls geht aus der aktuellen Patientenumfrage hervor, die die Kassenärtztliche Bundesvereinigung (KBV) nun veröffentlicht hat. Zwar musste ein Drittel der Kassen- wie Privatpatienten gar nicht auf einen Termin warten, sondern konnte sofort in die Praxis kommen. Doch 16 Prozent der Kassenpatienten mussten über drei Wochen auf einen Termin warten, während bei den Privatpatienten nur zehn Prozent so lange warten mussten.

Hausärzte behandeln Kassen- und Privatpatienten bei der Terminvergabe meist gleich. Fachärzte schauen dagegen schon eher auf den Status ihrer Patienten und damit auf die Vergütung, die sie erhalten: So mussten nach eigener Auskunft hier 34 Prozent der gesetzlich Versicherten mehr als drei Wochen auf einen Termin warten, bei Privatpatienten waren es dagegen nur 18 Prozent.

Grundsätzlich müssen Patienten auf einen Termin beim Urologen oder Frauenarzt länger warten als auf einen Termin beim Chirurgen oder Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Allerdings hat dies auch damit zu tun, dass letztere stärker mit akuten Erkrankungen zu tun haben. Die Forschungsgruppe Wahlen hatte von April bis Juni telefonisch über 6000 Versicherte befragt. Die Umfrage ist repräsentativ.

„Relevant für die Wartezeit ist vor allem die Dringlichkeit einer Behandlung“, betonte KBV-Chef Andreas Gassen. „Ich sage nicht: Es ist alles perfekt bei den Wartezeiten. Aber die Situation insgesamt ist gut.“ Das gelte auch für die Zeiten innerhalb der Praxis. So geben 43 Prozent an, dass sie nur maximal 15 Minuten warten mussten.

Gut sind demnach Ärzte in Nordrhein organisiert: Hier sind sogar 51 Prozent der Patienten binnen einer Viertelstunde an der Reihe. In Ostdeutschland trifft das nur auf ein Drittel zu. Doch auch in Nordrhein gibt es schlecht organisierte oder zu Stoßzeiten überfüllte Praxen: 24 Prozent der Patienten mussten über 30 Minuten warten, bis sie an der Reihe waren. Bundesweit sind es 26 Prozent.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will nun die Terminservice-Stellen auf Haus- und Kinderärzte ausweiten. Bislang können sich Kassenpatienten an diese Stelle wenden, damit diese ihnen binnen einer Woche einen Termin beim Facharzt vermittelt. Die Stelle der KV Nordrhein ist unter 0211-59708990 zu erreichen. Die KBV hält dies bei Haus- und Kinderärzten für überflüssig. Zudem sei es unmöglich, Termine außer bei Akutfällen binnen 24 Stunden zu vermitteln. Auch Spahns Plan, wonach Ärzte auch in Gemeinschaftspraxen individuell ihre Sprechzeiten veröffentlichen, lehnt die KBV als „praxisfern“ ab.

Die Kassenärztliche Vereinigung hat die Patienten auch zur Honorierung befragen lassen. Und ganz im Sinne der Standesvertretung sprachen sich 67 Prozent dafür aus, dass die Honorare der Ärzte so stark angehoben werden, dass sie für gesetzlich Versicherte genauso viel erhalten wie für Privatpatienten.

Weiter versuchen Ärzte, über individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL), die die Krankenkassen nicht bezahlen und Patienten aus eigener Tasche finanzieren müssen, ihre Einnahmen zu erhöhen. 23 Prozent der Patienten gaben an, dass der Arzt ihnen im vergangenen Jahr eine solche Leistung angeboten hat. Hier liegen die Ärzte in Nordrhein exakt im Schnitt. Unrühmlicher Spitzenreiter ist Schleswig-Holstein. Hier versuchten Ärzte bei 32 Prozent der Patienten, die Zusatzleistungen loszuwerden.

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