Karl-Theodor zu Guttenberg vor dem Untersuchungsausschuss „Wirecard hat uns alle getäuscht“

Berlin · Bekanntes Gesicht, neue Details: Im Wirecard-Untersuchungsauschuss sagt Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Gutenberg zu seiner Beraterfunktion und zu seinen Kontakten zur Kanzlerin aus. Am Ende bleiben viele Fragezeichen.

 Der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vor der Sitzung des Wirecard-Untersuchungsausschusses.

Der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vor der Sitzung des Wirecard-Untersuchungsausschusses.

Foto: dpa/Michele Tantussi

Berlin Über zehn Jahre ist es her, da stand ein schneidiger junger deutscher Wirtschaftsminister auf dem Times Square in New York. Er breitete für die Fotografen einfach nur triumphierend die Arme aus, als sei er einer wie Donald Trump oder der Wolf von der Wall Street. Wenn nicht um die Welt, so ging das Foto doch in das deutsche öffentliche Gedächtnis ein.

An diesem Donnerstag steht ein zehn Jahre älterer, reiferer Guttenberg vor dem Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags. Er triumphiert nicht, sondern wirkt ernst und nachdenklich. „Mein Name ist Karl-Theodor zu Guttenberg, ich bin 49 Jahre alt, wohnhaft in Guttenberg in Oberfranken. Ich bin Chairman von Spitzberg Partners“, sagt Guttenberg zu Beginn und schließt ein fast 90 Minuten langes Eingangsstatement an.

Spitzberg Partners, benannt nach dem höchsten Berg in Guttenbergs fränkischer Heimat, hatte für das mittlerweile insolvente Skandalunternehmen Wirecard, einst eines der vielversprechendsten deutschen Start-Ups, Kontakte zur Bundesregierung organisiert und dafür von Wirecard ein Honorar von insgesamt 760.000 Euro kassiert.

Guttenberg will das vor dem Ausschuss nicht als Lobbyismus verstanden wissen, aber es war genau das. Er möchte den Auftritt offenkundig nutzen, um das schmuddelige Bild seiner Firma zu korrigieren, das auch wegen Wirecard in den Medien entstanden ist. Er klagt über die „teilweise verzerrende Berichterstattung“.

Wirecard war im Juni 2020 nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche. Es ist einer der größten Finanzskandale der Nachkriegszeit.

Am 3. September 2019 nutzte Guttenberg ein persönliches Vier-Augen-Gespräch mit Bundeskanzlern Angela Merkel (CDU), die Guttenberg nach der gemeinsamen Wegstrecke im Kabinett offenbar noch sehr gewogen war. Wenige Tage später sollte die Kanzlerin nach China reisen – und Guttenberg bat sie, in China für Wirecard ein gutes Wort einzulegen. Merkel tat das dann auch und der deutsche Zahlungsdienstleister konnte wenig später zu ungewöhnlich guten Konditionen das chinesische Unternehmen AllScore Payment übernehmen. Die Konzernspitze nutzte anschließend den Markteintritt in China, um Zweifel an der Seriosität und den Perspektiven des Unternehmens zu zerstreuen, die damals schon kursierten.

„Ursprünglich hatte ich gar nicht geplant, die Bundeskanzlerin über Wirecards China-Pläne zu unterrichten, weil ich es beim Finanzministerium in den richtigen Händen wähnte“, erzählt Guttenberg im Ausschuss. Doch dann habe Merkel selbst ihren anstehenden Staatsbesuch in China angesprochen.

„Wirecard hat uns alle getäuscht“, sagt Guttenberg. „Einen derartigen Betrug konnte man als Geschäftspartner nicht erahnen.“ Seine Treffen mit der Kanzlerin, die etwa einmal pro Jahr tattgefunden hätten, seien vertraulich gewesen, zu zweit, ohne Agenda. Er habe ein „außergewöhnliches Vertrauen“ zu Merkel entwickelt. „Ich würde dieses Vertrauen nie für einen Klienten aufs Spiel setzen. Wenn ich nur einen leisesten Zweifel an Wirecard gehabt hätte, wäre es zu einem Gespräch nie gekommen“, schwört der frühere Wirtschafts- und Verteidigungsminister. Auch habe er Merkel nicht in „irgendeinen dubiosen Deal verwickelt“.

Er habe sich, sagt Guttenberg, oft die Frage gestellt: „Waren wir zu leichtfertig? Wollten wir nicht genau hinsehen? So viel vorab: Nein! Wir wurden arglistig getäuscht.“ Mit dem Kenntnisstand, den er heute habe, sei jede Handlung, die man für Wirecard gemacht habe, eine Handlung, wo man sage: „Was für eine furchtbar vergeudete Zeit.“

Ein bisschen wollte Guttenberg den negtiven Medienberichten über Wirecard  aber dann doch nachgehen. Sein letzter persönlicher Kontakt zu Ex-Wirecard-Chef Markus Braun, der in München im Gefängnis sitzt, sei am 9. Juni 2020 gewesen, sagt er. Das Gespräch sei ihm wichtig gewesen, er wollte wissen, was da los sei, wollte Braun sehen. Dieser habe auch im Juni noch einen unerschütterlichen Optimismus ausgestrahlt – trotz aller negativen Gerüchte.

Guttenberg habe „die Kanzlerin ganz schön reingeritten“, sagt FDP-Obmann Florian Toncar am Rande der Sitzung. Merkel habe ihm „offenbar vertraut“, „blind“ habe sie ihm in China einen Gefallen getan. Damit sei ihr ein „politischer Fehler“ unterlaufen. Denn Merkels Beamte hätten die Regierungsspitze intern bereits seit Monaten vor Wirecard gewarnt.

  Immerhin scheint Guttenberg die Regeln des Insiderhandels zu beachten. Antwort Guttenbergs auf die Frage des Ausschuss-Vorsitzenden Kay Gottschalk (AfD), ob er selbst Wirecard-Aktien besaß: „Ich selbst habe nie Wirecard-Aktien gehabt.“

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