Düsseldorf "Wir sind auf Augenhöhe mit den Amerikanern"

Düsseldorf · EU-Handelskommissar Karel De Gucht verteidigt die Freihandelsgespräche mit den USA und rät zu Selbstbewusstein.

Karel De Gucht ist ein politischer Profi. Bevor der EU-Handelskommissar in die europäische Politik wechselte, war der 59-jährige Flame fünf Jahre lang belgischer Außenminister. Aber auch er erlebt noch faustdicke Überraschungen. Die große öffentliche Aufregung um die geplanten Investitionsschutzvorschriften in einem Handelsvertrag mit den USA ist so eine. "Damit habe ich nicht gerechnet", gibt er zu, "das war doch nie strittig." Das sehen die Kritiker anders. Sie befürchten, dass die im derzeit verhandelten Freihandelsabkommen mit den USA vorgesehenen Klauseln große US-Konzerne in die Lage versetzen könnten, europäische Umwelt- oder Sozialvorschriften auszuhebeln. De Gucht versuchte die Attacken mit dem Hinweis zu kontern, es gebe doch schon rund 1400 derartige Abkommen zwischen EU-Staaten und anderen Ländern, es half nichts. De Gucht sah sich gezwungen, das umstrittene Thema erst einmal aus den Verhandlungen auszuklammern.

Der erbitterte Streit um juristische Details ist beileibe nicht De Guchts einzige Sorge bei den schwierigen Freihandelsgesprächen. Umweltgruppen und Verbraucherschützer malen seit Monaten die Gefahr einer Aushöhlung europäischer Mindeststandards an die Wand, sollte das Freihandelsabkommen mit den USA Realität werden. Darauf angesprochen wird der Kommissar ungehalten. "Einige behaupten, die EU-Kommission wolle amerikanisches Hormon-Fleisch durch die Hintertür nach Europa lassen. Ich kann ihnen sagen: Sie haben unrecht!", empört er sich. Solche Leute spielten bewusst mit den Ängsten der Menschen. "Wir haben ein Freihandelsabkommen mit Kanada geschlossen, und da haben wir auch alle Wünsche nach Exportquoten für hormonbehandeltes Fleisch abgewiesen."

Dass die weitgehend vertraulichen Verhandlungen der EU-Kommission mit den Amerikanern in Europa misstrauisch beäugt werden, damit hat sich De Gucht abgefunden. Was ihn ärgert, ist die defensive Haltung der Europäer. "Warum sind wir eigentlich immer so wenig selbstbewusst, so ängstlich?", fragt er. Die EU sei schließlich der weltweit wichtigste Wirtschaftsraum. "Wir sind auf Augenhöhe mit den Amerikanern."

Das geplante Freihandelsabkommen biete die konkrete Aussicht auf mehr Wirtschaftswachstum und mehr Jobs, wirbt De Gucht. Produktionszuwächse von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts seien zu erwarten. Und das Abkommen erlaube es den Europäern außerdem, weltweite Standards zu setzen. "Wenn wir es nicht tun, werden uns andere ihre Vorstellungen aufzwingen können", warnt De Gucht.

(RP)
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