Brüssel. Kampf gegen die Steuerflucht: EU will schärfere Kapitalkontrolle

Brüssel. · Der griechische Kommissar Algirdas Semeta will den geplanten Austausch von Steuerdaten deutlich erweitern. Sein Plan wird auch ein Thema beim G-8-Gipfel nächste Woche in Nordirland sein.

Die EU verschärft ihren Kampf gegen Steuerflucht. Banken sollen die zuständigen Behörden von 2015 an über sämtliche Einkünfte von EU-Ausländern informieren müssen. Das hat der zuständige Kommissar Algirdas Semeta vorgeschlagen. Mit dem Richtlinienentwurf wird der automatische Austausch von Steuerdaten in der EU deutlich ausgeweitet. Er soll neben Zinserträgen auch Dividenden, Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren, andere Vermögenseinkünfte und Kontostände erfassen. Damit soll die EU weltweit das umfassendste System für einen automatischen Informationsaustausch erhalten.

"Der Vorschlag ist eine weitere Waffe in unserem Arsenal zur energischen Bekämpfung der Steuerhinterziehung", unterstrich Semeta. Schätzungen der Kommission zufolge entgehen den EU-Staaten jährlich eine Billion Euro durch Steuertricks. Das Thema kochte in Deutschland zuletzt wegen der Affäre um den Aufsichtsratschef des FC Bayern München, Uli Hoeneß, hoch. Zuvor hatten internationale Medien im April im Offshore-Leaks-Skandal die Praktiken von zahlreichen Steueroasen offengelegt und damit eine neue Debatte über Steuerflucht angestoßen.

Bisher sind die Banken in EU-Staaten durch die seit 2005 geltende Zinsrichtlinie nur dazu verpflichtet, Zinserträge an die Steuerbehörden zu melden. Mit Ausnahmen: Luxemburg und Österreich erhalten bisher das EU-Bankgeheimnis für Ausländer aufrecht und erheben stattdessen eine anonyme Quellensteuer von 35 Prozent. Sie haben ein Einlenken bis Jahresende in Aussicht gestellt, machen die Abschaffung ihres Bankgeheimnisses aber noch von entsprechenden Abkommen mit der Schweiz, Liechtenstein, Monaco, San Marino und Andorra über die automatische Weitergabe von Steuerdaten abhängig. Sie wollen im Wettbewerb mit Finanzparadiesen wie der Schweiz nicht ins Hintertreffen geraten.

Die Zinsrichtlinie soll auf bestimmte Investmentfonds, Lebensversicherungen und Trusts ausgeweitet werden - die Erweiterung soll bis Jahresende unter Dach und Fach sein. Schon beschlossen haben die Staaten zudem, von 2015 an auch Informationen über Einkommen aus nicht selbstständiger Arbeit, Renten, Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsvergütungen und Mieten auszutauschen. Mit seinem gestrigen Vorschlag will Semeta erreichen, dass diese Richtlinie so verschärft wird, dass der automatische Informationsaustausch ab 2015 für alle Einkunftsarten gilt. Vorbild ist das US-Steuergesetz FATCA.

Semeta will nun erreichen, dass die EU-Staaten untereinander so viele Informationen austauschen, wie sie es mit den USA im Facta-Rahmen tun - und dass in der gesamten EU gleich strenge Regeln gelten. Die Europäer wollen sich auch auf dem G-8-Gipfel der acht weltgrößten Industrienationen Anfang der kommenden Woche im nordirischen Lough Erne für einen umfassenden internationalen Umtausch von Steuerdaten einsetzen. Dabei ist längst nicht ausgemacht, dass Semetas Pläne für Europa Realität werden. Denn in Steuersachen herrscht in der Europäischen Union Einstimmigkeit.

(RP)
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