Wettbewerb „NRW – Wirtschaft im Wandel“ Kabel und Klebebänder

Wuppertal · Einst stellte Coroplast Staubsaugerrohre für Vorwerk-Staubsauger her. Heute produziert man Hightech-Kabel für Autohersteller wie Volkswagen und Tesla.

 Coroplast-Chefin Natalie Mekelburger in einer Werkshalle.

Coroplast-Chefin Natalie Mekelburger in einer Werkshalle.

Foto: Coroplast

Natalie Mekelburger erinnert sich noch gut an die Weihnachtsabende als Kind. Natürlich gab es wie bei anderen Familien den Baum, Geschenke, Essen, aber es gab auch das, was Mekelburger „die Jahrespredigt“ nennt. Am Weihnachtsbaum ließ ihr Vater das vergangene Jahr Revue passieren. „Und natürlich haben wir Kinder immer mitgebetet, dass es dem Unternehmen gut geht“, sagt die 52-Jährige.

Natalie Mekelburger hat einen großen Anteil daran, dass die Gebete erhört wurden. Seit 2006 ist sie Geschäftsführerin von Coroplast und trug maßgeblich dazu bei, dass aus dem kleinen Unternehmen aus Wuppertal ein weltweit agierender Mittelständler wurde, der heute unter anderem Standorte in den USA und China hat. Und in den vergangenen zehn Jahren hat sich der Jahresumsatz von knapp 200 auf rund 500 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Die Geschäfte laufen gut – und das mit Produkten, deren wahre Bedeutung einem auf den ersten Blick gar nicht so klar ist: Klebebänder und Kabel.

Hightech-Produkte von Coroplast bilden heute die Nervensysteme der Automobilindustrie. Zu den Kunden zählen Hersteller wie Volkswagen oder Tesla. „Unsere Produkte werden immer anspruchsvoller, weil die Herausforderungen auch immer größer werden“, sagt Mekelburger.

Produkte für die Automobilindustrie fertigt das Unternehmen schon seit Jahrzehnten. Und doch sagt Natalie Mekelburger: „Im Grunde ist nur unser klassisches Klebeband fast so geblieben, wie es mal vor 50 Jahren war. Alle anderen Produkte haben sich komplett verändert.“

90 Jahre sind inzwischen seit der Firmengründung am 3. Februar 1928 vergangen. Fritz Müller war 25 Jahre alt, als er die Firma „Fritz Müller Isoliermaterial“ in Wuppertal aus der Taufe hob. Die Stadt war ein Zentrum der Textilindustrie, und je weiter die Elektrifizierung voranschritt, umso häufiger umwickelte man Kabel mit Textilien als Isolierung. Auch Müller experimentiert damit. In Lackieröfen imprägnierte er Ölschläuche mit Lacken. Für erste Versuche soll er angeblich auch gemeinsam mit seinem Bruder den mütterlichen Backofen genutzt haben – aber vielleicht ist das auch nur eine Legende, die diese Geschichte noch abenteuerlicher machen soll.

Denn klar ist: Es geht turbulent weiter. Die Weltwirtschaftkrise Anfang der 1930er Jahre trifft auch Müllers Unternehmen hart, das in der Folge kurz vor dem Ruin steht. Doch man überlebt – und fängt schon bald an, mit Kunststoffen zu experimentieren, während um ihn herum der Zweite Weltkrieg tobt. Als Müller 1945 bei einem Raubüberfall stirbt, übernimmt der Chemiker Richard Röhm das Unternehmen, verbreitert die Produktpalette und Coroplast als Markennamen.

Erst 1976 übernimmt wieder ein Müller die Leitung – Natalie Mekelburgers Vater Kurt. Und wieder entwickelt sich die Firma technologisch weiter. Einerseits werden weiterhin Produkte für die Automobilindustrie gefertigt, andererseits aber auch immer häufiger Kunststoffteile, etwa das Staubsauger-Rohr für den ebenfalls aus Wuppertal stammenden Kobold-Staubsauger.

„Elektroinstallation war eine Zeit lang unser wichtiges Geschäftsfeld“, sagt Mekelburger: „Aber irgendwann haben wir gemerkt, dass das Geschäft im Automobilbereich deutlich stärker wächst.“ Und bei Coroplast, das längst seinen Firmennamen gewechselt hatte, wusste man: Wenn wir bestehen wollen, müssen wir uns neu ausrichten. „Man muss erkennen, in welchen Geschäftsfeldern man nicht mehr konkurrenzfähig ist, und dann muss man sich davon trennen, so schwer das auch fällt. Da waren wir stets konsequent“, so Mekelburger.

In anderen Fällen brauchte es hingegen einen mentalen Wandel. Denn Natalie Mekelburgers Vater tat sich zunächst schwer mit der Vorstellung, seine Tochter könnte den Familienbetrieb irgendwann mal übernehmen. Sie hatte zwar schon als Abiturientin Klebebänder verpackt und den Vater auf manche Geschäftsreise begleitet Aber eine Frau an der Spitze eines Zulieferers in der männerdominierten Autoindustrie? Kann das funktionieren?

Das geht. Als Mekelburger 1994 ins Unternehmen einsteigt, beginnt gerade die Phase der Expansion. Der Eiserne Vorhang ist gefallen – und Coroplast zieht es gen Osten. In Polen eröffnet das Unternehmen einen Standort, heute produziert man auch in Tunesien, China, USA, Mexiko und Moldawien und beschäftigt weltweit knapp 6200 Mitarbeiter. Der Erfolg ist eng mit ihrem Namen verknüpft, „Visionärin aus Wuppertal“, nannte sie das Handelsblatt einst.

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2015 ist Mekelburgers Vater verstorben. Doch die Weihnachtspredigt lebt in leicht veränderter Form weiter. „Einmal im Jahr wird in der Familie immer noch geehrt, wenn alles gut gelaufen ist“, sagt Mekelburger: „Ich lege sehr viel Wert darauf, dass eine stabile wirtschaftliche Situation nicht als Selbstverständlichkeit angesehen wird.“

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