Paris/Düsseldorf Justiz knöpft sich Autokonzerne vor

Paris/Düsseldorf · Lange galten Frankreich und Deutschland als Diesel-Nationen. Seit der Abgasskandal bei VW aufflog, ist der Selbstzünder in Verruf geraten. Staatsanwälte knöpfen sich einen Hersteller nach dem anderen vor - jetzt auch Daimler.

Die Liste wird länger: VW, Audi, Renault, Fiat und nun auch Daimler. Immer mehr Autokonzerne geraten ins Visier der deutschen und französischen Justiz.

Gegen VW ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig, zuletzt rückten die Kollegen aus München aus, um die Zentrale der Tochter Audi zu durchsuchen, und gestern gab dann auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart bekannt, dass sie gegen Daimler-Mitarbeiter wegen des Verdachts auf Betrug im Zusammenhang mit Abgas-Manipulationen bei Dieselfahrzeugen ermittelt.

In Frankreich sieht die Situation für die Auto-Industrie nicht besser aus. Auch dort nimmt die Justiz einen Autobauer nach dem anderen wegen seiner Abgaswerte ins Visier. Zuletzt eröffnete die Pariser Staatsanwaltschaft wegen "schweren Betrugs" eine richterliche Voruntersuchung gegen Fiat-Chrysler. Laut der Wettbewerbs- und Anti-Betrugsbehörde DGCCRF trickste der italienisch-amerikanische Autobauer bei den Abgaswerten seines Fiat 500X ähnlich wie Volkswagen. Die Abgassysteme sollen so eingestellt gewesen sein, dass sie zwar im Labor die richtigen Werte ergaben, danach aber auf der Straße wieder die Luft verpesteten. Auch gegen Volkswagen und Renault laufen Ermittlungen.

Nach dem Volkswagen-Skandal hatte die französische Umweltministerin Ségolène Royal im Herbst 2015 eine unabhängige Expertenkommission gegründet, die prüfen sollte, ob es in Frankreich ähnliche Fälle gegeben hat. In ihrem im Sommer 2016 vorgelegten Abschlussbericht stellten die Experten fest, dass ein Großteil der 86 untersuchten Fahrzeuge viel höhere Emissionen an Stickoxiden aufwies, als von den Herstellern angegeben. "Zum jetzigen Zeitpunkt kann die Kommission nicht mit Sicherheit ausschließen, dass illegale Abschalteinrichtungen eingesetzt wurden", hieß es darin. Als Umweltsünder wurden bereits damals Fiat, Renault und Opel genannt.

Gegen Renault ermitteln seit Januar gleich drei Untersuchungsrichter. Mit seinen beliebten Modellen Captur und Clio IV soll Renault die CO2-Grenzwerte um mehr als 300 Prozent überschritten haben. "Die Ergebnisse lassen die Installation einer betrügerischen Einrichtung vermuten, um Stickstoffemissionen unter den besonderen Bedingungen der Zulassungstests zu verringern", zitierte die Zeitung "Libération" zuletzt aus einem Dossier der Anti-Betrugsbehörde. 900.000 Autos mit gefälschten Abgaswerten könnten so auf den Mark gekommen sein. Renault wies die Vorwürfe zurück.

Die Kommission zum Abgasskandal soll aber laut der "Financial Times" Details verschwiegen haben. So soll ein Stickoxid-Filter bei Tests des Renault Captur zum Einsatz gekommen sein, aber nicht unter Straßenbedingungen. "Der Bericht wurde vom Staat geschrieben, und dieser entschied, was dabei vertraulich bleiben sollte", kritisierte Charlotte Lepitre von der Organisation France Nature Environnement. Das Umweltministerium dementierte, dass Infos zurückgehalten wurden. Der Staat hält 20 Prozent an Renault.

Auch in Deutschland gab es von Umweltverbänden Kritik, dass die Auto-Industrie von der Politik geschont würde. Auch die Justiz ermittelte zunächst nur gegen Volkswagen wegen des Abgas-Skandals. Nach der Großrazzia bei Audi will die Staatsanwaltschaft München nun erste Zeugen befragen. Wie viele Personen vernommen werden, lasse sich allerdings noch nicht absehen, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft München II.

Und in Frankreich könnte die Justiz nach Renault den größten französischen Autobauer Peugeot-Citroën (PSA) ins Visier nehmen. Die Anti-Betrugsbehörde übergab ihre Unterlagen bereits an die Staatsanwaltschaft, die nun über das weitere Vorgehen entscheiden muss. Aus dem Schneider ist dagegen Opel. Dort ergaben die Nachforschungen keine Hinweise auf Abgasbetrug.

(RP)
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