Energie, Stahl, Chemie Jobabbau der Industrie trifft vor allem NRW

Düsseldorf · RWE, Lanxess und jetzt auch Evonik: Große NRW-Konzerne haben mittlerweile den Abbau von über 30.000 Stellen angekündigt. Das Land leidet unter seiner klassischen Industrie-Struktur und der verfehlten Energiepolitik.

Für die NRW-Wirtschaft kommt es derzeit knüppeldick. RWE, Bayer, Lanxess und erst am Montag Evonik — fast täglich kündigt ein Konzern Stellenabbau an. Was ist los an Rhein und Ruhr?

Grundsätzlich gilt: In NRW ist die Industrie traditionell stark vertreten. Wenn die Industrie leidet, trifft es NRW besonders. Spezielle Probleme in einzelnen Konzernen und der Politik kommen hinzu.

Energie Mit Eon, RWE und der Steag sind drei der fünf größten deutschen Versorger hier verwurzelt. NRW deckt 30 Prozent der Erzeugungskapazitäten in Deutschland ab. Entsprechend hart bekommt NRW nun die verunglückte Energiewende zu spüren. Wegen des Ökostrombooms sind immer mehr konventionelle Kraftwerke nicht ausgelastet, nahezu alle Gaskraftwerke schreiben rote Zahlen, aber auch Kohle-Kraftwerke rutschen in die Verlustzone. Folgerichtig will RWE nun 3500 Stellen in der Kraftwerkssparte streichen. Eon baut bereits seit zwei Jahren 11.000 seiner 80.000 Stellen ab.

Chemie Auch die Chemie-Krise trifft NRW besonders. Mit Bayer, Lanxess und Evonik haben drei der Großen hier Sitz und Dutzende großer Fabriken. Evonik will nun unter anderem in Essen Stellen streichen, Bayer in Leverkusen und Lanxess an mehreren NRW-Standorten.

Bereits von 2007 auf 2012 ist die Zahl der Chemie-Beschäftigten in NRW um 10.000 auf 86.000 gesunken. Die Konkurrenz aus China und dem Mittleren Osten wächst. Hinzu kommt die Rezession in Südeuropa und die Flaute in China. Darauf reagiert die Chemie sensibel, weil sie Vorprodukte (Kautschuk, Schaumstoffe) für andere liefert. Zudem ist die Chemie energieintensiv und leidet unter den Strompreisen. Hier müssen Betriebe doppelt so viel zahlen wie in den USA. "Wir haben unseren Stromverbrauch in Deutschland um 30 Prozent reduziert", sagt Lanxess-Chef Axel Heitmann. "Aber davon haben wir nichts. Es wird nicht honoriert."

Auto Zur Konjunktureintrübung gehört die weltweite Autokrise — und auch die trifft NRW. Vor allem Opel Bochum. Die Bochumer litten schon vorher unter Problemen wie einem schlechten Management der Mutter General Motors und Überkapazitäten in Europa. Aber mit der Krise wuchs der Druck so stark, dass nun alles schnell geht: Ende 2014 wird das Werk mit seinen 3200 Mitarbeitern geschlossen.

Stahl Die Mischung aus Management-Fehlern und Überkapazitäten haben auch bei ThyssenKrupp und Outokumpu das Pulverfass gefüllt, jetzt bringt es der Funke der Absatzschwäche zur Explosion. Die Stahl-sparte von ThyssenKrupp verdient ihre Kapitalkosten nicht mehr, Konzernchef Heinrich Hiesinger baut 2000 Stellen in der europäischen Stahlsparte ab, 1000 allein im Werk Duisburg. Deshalb hat er auch die Edelstahlsparte Inoxum mit 11.000 Mitarbeitern an Outokumpu verkauft. Die Finnen übernehmen nun das, was Hiesinger sonst selbst hätte erledigen müssen: Auch sie bauen Stellen ab und schließen im Krefelder Werk die Flüssigphase.

Strukturwandel gehört zu einer Volkswirtschaft dazu, Stellen brechen weg und entstehen anderswo neu. Wo das "Anderswo" liegt, ist aber eine Frage guter Investitions-Bedingungen. "Dazu trägt ein NRW-Klimaschutzgesetz, das in der Industrie große Unsicherheiten auslöst, natürlich nicht bei", sagt Karl Brenke vom Forschungsinstitut DIW. Mit dem Gesetz will die Landesregierung besonders strenge Umweltauflagen durchsetzen.

Das NRW-Wirtschaftsministerium warnt aber, den Blick nur auf die industriellen Arbeitsplätze zu richten. Wichtiger sei die Gesamtentwicklung, schließlich seien bei unternehmensnahen Dienstleistungen auch Stellen entstanden. "Mit über sechs Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten liegt deren Niveau in NRW um 300.000 über dem vor der Weltwirtschaftskrise ab 2008."

(RP)
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