Interview

Wer hat Deutschland in den vergangenen acht Jahren mehr verändert – Angela Merkel oder Ursula von der Leyen?

 Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen im Gespräch mit RP-Chefredakteur Sven Gösmann (links) sowie Gottfried Arnold und Florian Merz-Betz (beide Herausgeber der Rheinischen Post).

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen im Gespräch mit RP-Chefredakteur Sven Gösmann (links) sowie Gottfried Arnold und Florian Merz-Betz (beide Herausgeber der Rheinischen Post).

Foto: bauer

Wer hat Deutschland in den vergangenen acht Jahren mehr verändert – Angela Merkel oder Ursula von der Leyen?

von der Leyen Die Frage ist einfach zu beantworten: Angela Merkel

Warum?

von der Leyen Sie hat ganz selbstverständlich gezeigt, dass Frauen exzellent führen können. Sie hat unser Land sicher durch die Wirtschafts- und Finanzkrise geführt. Und sie hat außerdem Raum gegeben, um wegweisende Veränderungen auf den Weg zu bringen.

Nennen Sie doch ein Beispiel.

von der Leyen Denken Sie nur an die völlig veränderte Familienpolitik oder Energiepolitik. Vor einem Jahrzehnt galten erwerbstätige Mütter als Rabenmütter und erneuerbare Energien als Utopie. Heute diskutieren wir über Qualität von Kitas und den nachhaltigen Energiemix. Und dank der Kanzlerin sind wir bisher gut durch die Eurokrise gekommen. Sie hat es obendrein geschafft, dass Europa in dieser Krise einig blieb und nicht auseinander gebrochen ist. Dafür wird sie eines Tages in die Geschichte eingehen.

Angela Merkel wird bundesweit wegen ihres Regierungsstils gern "Mutti" genannt. Das würde doch eher zu Ihnen passen, oder?

von der Leyen Die Menschen haben ihr mit sicherem Instinkt diesen Kosenamen gegeben. Ich empfinde diesen Begriff als großes Kompliment an die Kanzlerin.

Werden Sie im Falle eines Wahlsiegs weiterhin Arbeitsministerin bleiben?

von der Leyen Ich würde es mir wünschen.

Werden Sie als Arbeitsministerin in einer neuen Regierung als erstes die Erhöhung der Mütterrente für ältere Mütter durchsetzen?

von der Leyen Wir haben derzeit eine Gerechtigkeitslücke im Rentensystem. Frauen, die ihre Kinder vor 1992 geboren haben, erhalten nur einen Rentenpunkt pro Kind gutgeschrieben. Bei den jüngeren Müttern sind es bis zu drei. Wir wollen, dass die älteren Mütter, auch die, die heute schon in Rente sind, einen weiteren Punkt erhalten, was etwa zusätzlichen 28 Euro pro Monat bei der Rente entspricht. Aus Statistiken der Rentenversicherung ist bekannt, dass eine Frau im Durchschnitt 50 Euro pro Kind bei der Rente verliert, weil sie wegen der Kindererziehung im Beruf kürzer tritt. Dabei ist allen klar: Ohne diese Kinder gibt es künftig für niemanden eine Rente.

Soll die erhöhte Rente für ältere Mütter schon zum 1. Januar 2014 in Kraft treten?

von der Leyen Wir werden die Erhöhung der Mütterrente möglichst rasch einbringen, dafür steht die CDU.

Wie soll die Mütterrente finanziert werden?

von der Leyen Die Rentenkasse ist dank der wirtschaftlich guten Lage prall gefüllt. Wir können den geplanten Erhöhungsschritt der Mütterrente aus der Rentenkasse finanzieren. Da gibt es Spielraum, den wir uns dank des boomenden Arbeitsmarktes erarbeitet haben.

Das heißt, dass der Rentenbeitragssatz für die Arbeitnehmer und Arbeitgeber nicht wird sinken können.

von der Leyen Die Rentenkasse wird ja nicht nur aus Beitragsmitteln, sondern heute bereits zu einem Drittel aus Steuermitteln gefüllt. Das ist eine Frage der Schwerpunktsetzung, wofür die 80 Milliarden Steuerzuschuss verwendet werden.

Warum ist es Ihnen nicht gelungen, die Lebensleistungsrente umzusetzen, für die Sie nur einige Hundert Millionen pro Jahr aus der Rentenkasse benötigt hätten, während die geplante Mütterrente rund 6,5 Milliarden Euro pro Jahr kosten wird?

von der Leyen Die Mütterrente betrifft jetzt konkret sechs Millionen Frauen. Die Lebensleistungsrente beugt dagegen der Altersarmut in Zukunft vor. Sie soll verhindern, dass in den nächsten Jahrzehnten die Altersarmut steigt, wenn das Rentenniveau sinkt. Handeln müssen wir trotzdem heute, denn Rente muss über Jahrzehnte angelegt werden. Es ist schwerer für einen Politiker, für etwas zu werben, was sich erst in Zukunft auswirkt. Aber die Erkenntnis, dass wir gerade für Frauen und Niedrigverdiener einen Schutzschirm vor künftiger Altersarmut brauchen, ist in allen Parteien gewachsen. Ich bin sicher, dass wir in der kommenden Legislatur eine gute Lösung finden.

Eines Ihrer Ziele als Arbeitsministerin war es, mehr Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. In diesem Punkt kommen Sie kaum voran.

von der Leyen Wir erleben gerade, dass im vergangenen Jahr rund 370 000 Menschen mehr nach Deutschland kamen, als das Land verließen. Das Gute ist: Die Leute, die kommen, sind besser ausgebildet und jünger als der Durchschnitt der Bevölkerung. Trotzdem werden wir mit der Fachkräfteoffensive nicht nachlassen. Ich bin seit Wochen im Land bei mittelständischen Betrieben unterwegs, die händeringend nach qualifizierten Mitarbeitern suchen – Facharbeiter, Ingenieure, Naturwissenschaftler. Wir haben die Gesetzgebung bereits umgestellt und das klare Signal nach außen gesandt, dass Deutschland Menschen mit gesuchten Qualifikationen willkommen heißt. Das gilt vor allem für den europäischen Arbeitsmarkt, wo aktuell viele talentierte junge Leute zu Hause kaum Perspektiven haben. Hier müssen wir die Enden zusammenbekommen.

Könnte es Missstimmung geben, wenn Sie Ländern wie Spanien, Portugal oder Griechenland die besten Kräfte nehmen?

von der Leyen Meine spanische Kollegin sagt mir, die Jungen ziehen ohnehin ins Ausland, weil sie derzeit keine Perspektive im Land haben. Und es sei ihr lieber, sie gehen zur Ausbildung und zur Arbeit nach Deutschland oder Österreich als, dass sie ganz ins spanischsprachige Südamerika auswandern. Aufhalten kann die jungen Leute ohnehin niemand.

Wäre für die Umsetzung Ihrer Pläne eine große Koalition mit der SPD sinnvoll?

von der Leyen Wir kämpfen für eine schwarz-gelbe Koalition. Wer Angela Merkel als Kanzlerin haben will, muss CDU wählen, und zwar mit erster und zweiter Stimme. Das ist die Lehre aus der Niedersachsenwahl.

Ist die große Koalition ein Schreckgespenst?

von der Leyen Das habe ich nicht gesagt. Aber ich kämpfe für Schwarz-Gelb.

MARTIN KESSLER UND EVA QUADBECK FASSTEN DAS GESPRÄCH ZUSAMMEN.

(RP)
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