Düsseldorf IG Metall fordert 30-Stunden-Woche

Düsseldorf · Deutschlands größte Gewerkschaft will in der Tarifrunde familienfreundlichere Arbeitszeiten aushandeln. Die Arbeitgeber lehnen den Vorstoß ab. Experten warnen, die Pläne könnten den Fachkräftemangel befeuern.

Fast 60 Jahre ist es her, dass der Deutsche Gewerkschaftsbund in den Innenstädte der Republik großflächig Plakaten aufhängte. Darauf zu sehen war das Konterfei eines kleinen, blonden Jungen mit emporgerecktem Zeigefinger und darüber der Slogan: "Samstags gehört Vati mir". Der DGB kämpfte damals für die Einführung der 40-Stunden-Woche. Mehr als ein halbes Jahrhundert später haben die Gewerkschaften auf die Forderung inhaltlich noch deutlich draufgesattelt: IG-Metall-Vize Jörg Hofmann verlangte gestern in einem Interview mit der "Welt" die Wochenarbeitszeit auf nunmehr 30 Stunden abzusenken. In der Metall-Branche liegt die Regelarbeitszeit bei 35 Stunden.

"Für unsere Kollegen wird das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Leben immer wichtiger", sagte Hofmann. Die IG Metall stützt sich dabei auf eine großangelegte Beschäftigtenbefragung unter mehr als 500 000 Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie — ein Drittel davon nicht Mitglieder der IG Metall. Viele Frauen und Männer hätten sich eine auf 30 Stunden reduzierte Arbeitszeit gewünscht, so Hofmann. Die IG Metall will das Thema bei der kommenden Tarifverhandlung angehen. Ob die Reduzierung bei vollem Lohnausgleichstattfinden soll, sei noch offen, sagte der IG-Metall-Vize.

Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) steht dem Vorstoß von Deutschlands größter Gewerkschaft aufgeschlossen gegenüber. Dieser zeige, wie wichtig die Debatte um familienfreundliche Arbeitszeiten sei. Väter und Mütter brauchten mehr Zeit für die Familie, wollten zugleich aber auch im Beruf weiterkommen, sagte eine Ministeriumssprecherin in Berlin. Um die Diskussion voranzubringen, werde Schwesig mit Arbeitgebern und Gewerkschaften sprechen. Die Ministerin hatte jüngst eine 32-Stunden-Woche ohne große Lohneinbußen für junge Väter und Mütter ins Gespräch gebracht. Allerdings scheiterte sie mit ihrer Idee am Widerstand von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).

Allerdings gibt es auch heftige Kritik an Hofmanns Vorstoß — vor allem von Seiten der Arbeitgeber. Luitwin Mallmann, Hauptgeschäftsführer von Metall NRW, sagte unserer Zeitung: "Grundsätzlich ist uns Metallarbeitgebern die Familienfreundlichkeit ein großes Anliegen. Aber was Herrn Hofmann da vorschwebt, ist nicht zielführend."

Mallmann verwies auf die bereits existierenden Möglichkeiten, die Arbeitszeit zu senken: " Wir haben seit 13 Jahren das Teilzeit- und Befristungsgesetz und zusätzlich jede Menge flexible Arbeitszeitregeln." Anstelle einer generellen Absenkung auf 30 Stunden schlägt der Arbeitgebervertreter vor, der Fokus solle eher auf einem besseren Angebot für die Kinderbetreuung und dem Einsatz der vorhandenen flexiblen Arbeitszeitregelungen liegen. "Nehmen Sie noch die Elternzeit dazu, haben wir dafür jede Menge Möglichkeiten. Wir brauchen also keine weiteren starren Regelungen, wie sie der IG Metall vorschweben", sagte Mallmann.

Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln vermutet auch, dass die Pläne der Gewerkschaft in Wirklichkeit noch weitreichender sind: "Der Gewerkschaft geht es wohl eher darum, einen Rechtsanspruch zu schaffen — womöglich mit Lohnausgleich", vermutet der Arbeitsmarkt-Experte Holger Schäfer und warnt: "Ein Zwang zur Arbeitszeitverkürzung dürfte aber viele, insbesondere kleine und mittlere Betriebe organisatorisch überfordern." Zumal die Gewerkschaften Auffangmöglichkeiten wie Zeitarbeit und Befristung bekämpften. Schäfer warnt, dass eine Reduzierung der Arbeitszeit auch den Fachkräftemangel noch einmal befeuern könne: "Es gibt in Deutschland rund 1,6 Millionen Vollzeitbeschäftigte mit Kinder bis drei Jahren, darunter fast 500 000 in Akademiker-Jobs. Wenn alle ihre Arbeitszeit reduzieren würden, könnte sich der Fachkräftemangel noch einmal deutlich verschärfen."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort