Interview mit dem Generalsekretär des Handwerksverbandes Schwannecke: "Rentenversicherung ist kein Sozialamt"

Düsseldorf · Der Generalsekretär des Handwerks-Verbands, Holger Schwannecke, kritisiert den schwarz-roten Koalitionsvertrag: Höhere Renten, allgemeiner Mindestlohn und mangelnde Impulse bei der Energiewende würden viele Arbeitsplätze kosten und den Mittelstand belasten.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel neben ZDH-Präsident Otto Kentzler (l.) und ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke Holger.

Bundeskanzlerin Angela Merkel neben ZDH-Präsident Otto Kentzler (l.) und ZDH-Generalsekretär Holger Schwannecke Holger.

Foto: David Ebener

Union und SPD wollen die Ausgaben für Rentner steigern, unter anderem sollen die Renten für ältere Mütter, langjährig Versicherte und Geringverdiener aufgestockt werden. Wie bewertet das Handwerk diese Pläne?

Schwannecke In der Sozialpolitik geht der Koalitionsvertrag eindeutig in die falsche Richtung. Da bildet sich ein dunkler Schatten, der sich über das Land legt. Wenn die Rentenkasse Mehrausgaben in zweistelliger Milliardenhöhe verkraften muss, ist das negativ für Wachstum und Beschäftigung, weil jetzige und künftige Beitragszahler belastet werden. Mittelstand, das Handwerk und unsere Beschäftigten zahlen die Zeche dafür, dass Union und SPD Wahlgeschenke verteilen können.

Könnten die höheren Rentenleistungen tatsächlich Arbeitsplätze kosten?

Schwannecke Die Rentenpläne machen Arbeit auf jeden Fall teurer. Das Handwerk ist ja besonders beschäftigungs- und lohnintensiv. Die schwarz-rote Rentenpolitik könnte also Jobs gerade im Handwerk kosten. Wir hatten eigentlich fest damit gerechnet, dass der Rentenbeitrag im kommenden Jahr von 18,9 auf 18,3 Prozent sinkt. Jetzt erleben wir das Gegenteil. Und der Rentenbeitrag wird in Zukunft sogar noch schneller steigen als bisher prognostiziert. Das bedeutet für uns eine Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit.

Die große Koalition in spe hat sich aber nun mal entschieden, die Mütter gerechter zu behandeln und die Altersarmut zu bekämpfen.

Schwannecke Dennoch: Die Rentenversicherung ist kein Sozialamt: Mehrleistungen für Erziehungszeiten oder für Menschen mit geringen Einkommen müssten — wenn überhaupt — dann aus Steuermitteln finanziert werden, nicht aus der Versicherung. Dieser Koalitionsvertrag ist in soweit ein Vertrag zu Lasten Dritter.

Wie wird sich die Einführung des flächendeckende Mindestlohns von 8,50 Euro pro Zeitstunde ab 2015 auf das Handwerk auswirken?

Schwannecke Das Handwerk hat die weitestgehenden und besten Erfahrungen mit branchenbezogenen Mindestlöhnen gemacht, weil sie das Ergebnis von sozialpartnerschaftlichen Verhandlungen sind. Doch Union und SPD ignorieren das und sagen: Wir wollen mehr Staat an dieser Stelle. Das ist der zweite große Fehler des Koalitionsvertrags. Der Staat kriegt den Fuß in die Tür und entscheidet künftig mit bei der Lohnfindung. Da frage ich mich: Was soll das? Warum stärkt man nicht die Tarifautonomie? Von staatlichen Eingriffen in der Lohnfrage halte ich nichts.

Könnte auch der Mindestlohn im Handwerk Jobs kosten, etwa in Ostdeutschland?

Schwannecke Auch der flächendeckende Mindestlohn kann im Handwerk Arbeitsplätze kosten, weil wir eine Reihe von Tarifverträgen haben, die auch nach 2016 voraussichtlich noch für manche Gruppen Löhne von unter 8,50 Euro vorsehen werden, gerade in Ostdeutschland.

Sind Sie denn mit den Regelungen zur Energiewende zufrieden?

Schwannecke Im Koalitionsvertrag wird ein nationaler Aktionsplan Energieeffizienz angekündigt. Das hört sich toll an, aber es muss auch mit Leben gefüllt werden. Es finden sich leider keine neuen Impulse für mehr Energieeffizienz im Koalitionsvertrag. Viel zu lange wird bereits nur über Strompreise geredet. Ohne die Steigerung der Energieeffizienz wird das jedoch nichts mit der Energiewende. Vor allem der Verzicht auf die steuerliche Förderung der energetischen Gebäudesanierung ist bedenklich.

In Dortmund wird heute ein neuer Handwerkspräsident gewählt. Wer wird gewinnen?

Schwannecke Wir haben drei sehr gute, erfahrene Kandidaten. Dass sich drei unserer Unternehmer für dieses Ehrenamt zur Wahl stellen, macht deutlich, wie groß die Bereitschaft ist, sich bei uns zu engagieren, und wie sehr unsere Organisation lebt. Es ist ein offenes Rennen.

Das Interview führte Birgit Marschall.

(mar)
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