Absprachen bei Grobblech Hohe Kartellstrafe für Thyssenkrupp und Co.

Essen · Wegen Preisabsprachen müssen die Unternehmen 646 Millionen Euro zahlen. Unterdessen sortiert sich der Aufsichtsrat von Thyssenkrupp neu.

 Aus den Duisburger Hochöfen von Thyssenkrupp (Bild) kommt der Stahl, den der Konzern zu Grobblech verarbeitet. Hier war der Konzern Teil eines Kartells.

Aus den Duisburger Hochöfen von Thyssenkrupp (Bild) kommt der Stahl, den der Konzern zu Grobblech verarbeitet. Hier war der Konzern Teil eines Kartells.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Das Bundeskartellamt hat gegen mehrere Stahlhersteller empfindliche Bußgelder verhängt. Auslöser sind Preisabsprachen bei Grobblechen in den Jahren 2002 bis 2016. Insgesamt verdonnerten die Wettbewerbshüter die Firmen zu 646 Millionen Euro. Den Hauptanteil muss Thyssenkrupp zahlen. Ein Konzernsprecher bestätigte die Summe von 370 Millionen Euro. Personalvorstand Oliver Burkhard hatte bei der Bilanz-Pressekonferenz erklärt, dass in dieser Höhe Rückstellungen gebildet worden seien. „Entsprechend sind wir nicht überrascht worden“, sagt der Sprecher.

Ausgelöst hatten das Verfahren die Dillinger Hüttenwerke, die wegen der Kronzeugenregelung straffrei blieben. Auch Voestalpine bekam wegen der Kooperation einen Strafnachlass. Bei Thyssenkrupp soll der Umstand strafmildernd berücksichtigt worden sein, dass der Konzern als erstes im Juli 2016 von den verabredeten Preisen abgewichen sei. Daneben zählen die Ilsenburger Grobblech GmbH sowie „drei verantwortliche Personen“ zu den Kartellsündern.

Nach Angaben von Kartellamts-Präsident Andreas Mundt hatten sich die Stahlhersteller „regelmäßig im sogenannten Technikerkreis der Walzstahl-Vereinigung getroffen“ und sich dort über die wichtigsten Aufpreise und Zuschläge abgesprochen. Grobblech wird etwa beim Brücken-, Hoch- und Schiffsbau verwendet. Auch im Maschinenbau sowie bei Windkraftanlagen und Pipelines kommt es zum Einsatz. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl, die im Verfahren ebenfalls in den Fokus geraten war, wollte den Vorgang nicht kommentieren. „Wir äußern uns grundsätzlich nicht zu Kartellverfahren“, sagte ein Sprecher.

Für Thyssenkrupp ist das Bußgeld schmerzhaft. Der Konzern ist finanziell angeschlagen und will mit den Einnahmen aus einem Verkauf oder Börsengang der lukrativen Aufzugsparte wieder Spielraum bekommen. An den Börsen kam die Nachricht zunächst schlecht an. Die Aktie verlor zum Vortag 1,3 Prozent, drehte jedoch am Nachmittag wieder deutlich ins Plus. Da überlagerte nämlich eine andere Nachricht die Kartellstrafe: Im Aufsichtsrat des MDax-Konzerns kommt es bei der Hauptversammlung Ende Januar zu einigen Umbesetzungen. Bereits erwartet worden war, dass sich der Wirtschaftsprofessor Bernhard Pellens zurückziehen wird. Im Januar 2020 endet seine dritte fünfjährige Bestellung – der Kodex für gute Unternehmungsführung empfiehlt nach dieser Zeitspanne einen Abgang. Ihn soll die Ford-Managerin Birgit Behrend ersetzen.

Überraschend kommt dagegen der Rückzug des Vertreters des aktivistischen Investors Cevian. „Insbesondere das Ausscheiden von Jens Tischendorf hatte ich so nicht erwartet“, sagt Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Allerdings lasse sich daran auch noch kein grundsätzlicher Richtungswechsel ablesen. „Immerhin begnügt sich Cevian auch weiterhin nur mit einem Sitz im Gremium – das im Übrigen mit der Berufung von der Cevian-Partnerin Friederike Helfer deutlich jünger wird.“ Die 43-jährige Absolventin der US-Elitehochschule Massachusetts Institute of Technology war McKinsey-Beraterin und leitet derzeit das Schweizer Büro der Investmentgesellschaft.

Als drittes Mitglied verlässt Carola Gräfin von Schmettow, Vorstandssprecherin der HSBC Deutschland, den Aufsichtsrat. Von Schmettow wolle sich an die Grundsätze der guten Unternehmensführung und der guten Praxis in Großbritannien halten, wonach Aufsichtsräte nicht länger als acht Jahre im Amt sein sollten, hieß es in der Bank. Zugleich kann sie sich so auf die Bank HSBC Trinkaus konzentrieren, deren Vorsitzende sie ist. Thyssenkrupp war ein sehr arbeitsintensives Mandat – immer wieder gab es Sitzungen und Krisensitzungen. Im Sommer 2018 hat sich von Schmettow enthalten, als Konzernchef Heinrich Hiesinger seinen Umbauplan vorstellte. Andere Aufsichtsräte stimmten gegen ihn, ein Beben wurde ausgelöst. Am Ende warfen Hiesinger und Aufsichtsratschef Ulrich Lehner das Handtuch.

Auf von Schmettow folgt voraussichtlich Innogy-Finanzvorstand Bernhard Günther. Kostenpflichtiger Inhalt Der Energie-Manager war der breiten Öffentlichkeit vor allem durch den auf ihn verübten Säureanschlag bekannt geworden. „Der Vorschlag, die Ford-Managerin Birgit Behrendt ins Gremium zu bringen, ist mit dem Blick auf die Bedeutung von Automotive für den Konzern nachvollziehbar, mit Bernd Günther soll zudem ein erfahrener Finanzer in einer extrem heiklen Situation bei Thyssenkrupp kontrollieren. Das begrüßen wir“, sagte Aktionärsvertreter Hechtfischer. Kritisch sieht er dagegen weiterhin „den anachronistischen Mechanismus, dass die beiden Stiftungs-Vertreter entsendet werden“. Ursula Gather, Rektorin der TU Dortmund und Chefin der Krupp-Stiftung, sowie Lothar Steinbach, müssen sich im Januar nicht der Wahl stellen, sondern sind automatisch bis 2023 berufen. „Diese Regelung ist überholt und sollte analog zu anderen Unternehmen über den üblichen Weg einer Wahl laufen“, sagte Hechtfischer.

Ebenfalls wiedergewählt werden soll Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz. Sie wird den Posten allerdings nicht antreten, sondern für die Zeit ihres Engagements als Vorstandschefin das Amt ruhen lassen. Dennoch gilt die Wahl als Zeichen dafür, dass sie das Vorstandsamt nur vorübergehend bekleidet und zurück an die Aufsichtsratsspitze wechselt.

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