Essen Hochtief-Chef wirft das Handtuch

Essen · Herbert Lütkestratkötter verlässt Deutschlands größten Baukonzern. Er bekommt vier Millionen Euro Abfindung. Nachfolger wird Hochtief-Vorstand Frank Stieler, der erst das Turbinengeschäft von Siemens und dann das Europa-Geschäft von Hochtief saniert hat.

Deutschlands größter Baukonzern gibt den Abwehrkampf gegen seinen spanischen Konkurrenten ACS auf. Hochtief-Chef Herbert Lütkestratkötter kündigte gestern Morgen seinen Rücktritt an: Der 60-jährige Westfale will den Konzern zum Ende der Hauptversammlung am 12. Mai verlassen. Nachfolger wird sein bisheriger Europa-Chef Frank Stieler (52), der seit zwei Jahren im Konzernvorstand sitzt.

Mit Lütkestratkötter geht das Gesicht des Widerstandes von Hochtief in der zuletzt immer verzweifelteren Abwehrschlacht gegen den ACS-Konzern von Bord. "Es ist wichtig, dass ein Vorstandsvorsitzender im Amt ist, der das volle Vertrauen des Großaktionärs hat. So ist das einfach", begründete Lütkestratkötter seine Entscheidung. Nach eigenen Angaben erhält er eine Abfindung in Höhe von 4,08 Millionen Euro. Laut Vertrag haben die Hochtief-Vorstände im Falle einer Übernahme ein Sonderkündigungsrecht mit Bezug von mindestens zweieinhalb Jahresgehältern. Im März hatte bereits Asien-Pazifik-Vorstand Peter Noe davon Gebrauch gemacht.

ACS hält inzwischen über 41 Prozent an Hochtief und dürfte schon auf der Hauptversammlung am 12. Mai über die Stimmenmehrheit verfügen. Auf der Hauptversammlung will der von dem spanischen Real-Madrid-Chef Florentino Pérez geführte Konzern seine Sitze im Hochtief-Aufsichtsrat auf vier verdoppeln. Danach kann ACS Hochtief-Vorstände auswechseln.

Frank Stieler muss sich deshalb keine Sorgen machen. ACS begrüßte seine Nominierung gestern als "hervorragende Wahl" und sagte dem designierten Hochtief-Chef bereits volle Unterstützung zu. Dennoch war Stielers Nominierung nach Informationen unserer Zeitung in einer Sondersitzung des Aufsichtsrates am Sonntag umstritten. Geschlossen hinter Stieler gestanden haben sollen das Arbeitnehmerlager und die von ACS entsandten Aufsichtsräte. Dem Vernehmen nach gab es kritische Stimmen insbesondere bei jenen Aufsichtsräten, die am 12. Mai um ihre Posten bangen müssen.

Erst Ende der vergangenen Woche hatte Hochtief einen überraschenden Einbruch bei seiner wichtigsten Ertragssäule, der australischen Tochter Leighton, bekanntgeben müssen. In der Folge war die Hochtief-Aktie um rund acht Prozent eingebrochen. Als Hochtief gestern die Auswirkungen auf den Gesamtkonzern konkretisierte, brach das Papier erneut um über neun Prozent ein: War Hochtief bisher von einem Vorsteuerergebnis in Höhe von rund einer Milliarde Euro ausgegangen, so erwartet der Konzern im laufenden Jahr nur noch einen Gewinn von weniger als 400 Millionen Euro. Hochtief will Leighton künftig an die kurze Leine nehmen.

Lütkestratkötter kam im Dezember 2003 zu Hochtief und wurde vor vier Jahren Chef. Der promovierte Maschinenbauer hat den Wert des Unternehmens seither deutlich gesteigert und Hochtief über die Töchter Turner (Nordamerika) und Leighton (Asien/Pazifik) zu einem international geachteten und sehr profitablen Player ausgebaut. Wegen Lütkestratkötters betont konservativer Buchhaltungs-Praxis galt Hochtief an der Börse jedoch meistens als unterbewertet.

IG-Bau-Chef und Hochtief-Aufsichtsrat Klaus Wiesehügel stellte Lütkestratkötter gestern im Gespräch mit unserer Zeitung ein positives Zeugnis aus: "Er hat den Wert des Konzerns während seiner Amtszeit fast verdreifacht und einen guten Job gemacht." Sein gravierendster Fehler sei die Vernachlässigung des Europageschäftes gewesen. "Hochtief hat sich mit Zukäufen in Nordamerika und in Asien in eine glänzende Position gebracht. Wäre Lütkestratkötter dasselbe auch in Europa gelungen, würde dem Konzern heute wohl kaum die feindliche Übernahme drohen."

Lütkestratkötters Nachfolger Stieler hat sich vor seinem Einzug in den Hochtief-Vorstand einen Namen als Sanierer bei Siemens gemacht, wo er das damals verlustträchtige Turbinen-Geschäft zu der inzwischen lukrativen Sparte "Oil & Gas" geformt hat. Bei Hochtief hat er das schwierige Europageschäft aus der Verlustzone geführt.

(RP)
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