Nach Hakle-Insolvenz Total von der Rolle – Klopapier-Hersteller in der Krise

Düsseldorf · In der Corona-Pandemie war Klopapier ein Luxusgut: Hamsterkäufer sorgten für leere Supermarkt-Regale. Kaum zwei Jahre später stecken viele Hersteller in der Krise. Was ist bloß los in der Branche?

Der Düsseldorfer Toilettenpapier-Hersteller ist insolvent: Wie sehr steckt die Papierindustrie in der Krise?

Der Düsseldorfer Toilettenpapier-Hersteller ist insolvent: Wie sehr steckt die Papierindustrie in der Krise?

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)/Bauer, Hans-Jürgen (hjba)

Kürzlich machte der Düsseldorfer Toilettenpapierhersteller Hakle seine Insolvenz publik. Jetzt will sich das Unternehmen in Eigenregie sanieren. Der Geschäftsbetrieb soll vollumfänglich weitergeführt werden.

Nach eigenen Angaben sei man in den Sog der aktuellen Ereignisse geraten. Nicht nur starke Verwerfungen seit Beginn der Pandemie im globalen Rohstoff und Logistikmarkt, auch die höheren Energiepreise seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine habe den Betrieb in die Enge getrieben, wie es in einer Stellungnahme heißt. “Die massiv gestiegenen Kosten für Material- und Energiebeschaffung sowie der Transporte konnten bislang nicht im zeitlich und/oder wirtschaftlich hinreichenden Umfang an die Kunden weitergegeben werden“, gab das Unternehmen bekannt. Wie reagiert die Branche?

„Hakle ist wie die gesamte Branche von den explodierenden Energiepreisen betroffen. Besonders beim Gas, das in der Papierindustrie einen Brennstoffanteil von 58 Prozent ausmacht“, sagte ein Sprecher des Branchenverbandes „Die Papierindustrie“ unserer Redaktion. Laut einem Bericht des Bundesanzeigers hatte Hakle 2020 bei knapp 80 Millionen Euro Jahresumsatz noch ein Plus von 650.000 Euro erwirtschaftet. Dieser kleine Gewinn änderte nichts an den Problemen der Branche. Laut Papierindustrie hätten die Hamsterkäufe zu Beginn der Pandemie nichts gebracht, da es in der Folge ein nur kurzes Nachfrageloch gegeben hätte. Was neben den Energiekosten besonders belastend ist: „Die steigenden Kosten lassen sich zunehmend schwieriger am Markt weitergeben“, so der Papierindustrie-Sprecher.

Die Verhandlungen mit dem Einzelhandel seien für alle Hersteller hart.Der Mitbewerber Essity, der hinter Marken wie „Zewa“ oder „Tempo“ steht, verweist ebenfalls auf eine starke Belastung des Geschäfts aufgrund gestiegener Kosten bei Rohstoffen, Energie und Transport. „Wir sind solide aufgestellt und können aufgrund unserer Größe einen Teil der Kosten kompensieren, ohne dass die Qualität unserer Produkte darunter leidet“, sagt eine Sprecherin. Was genau das bedeutet, erläutert das Unternehmen nicht, räumt aber ein, dass man die Preise der Produkte erhöhen müsse.

Eine neue Produktlinie der Marke Zewa, die mittlerweile in alle Supermärkten und Drogerien zu finden ist, ist keine Reaktion auf die verschärfte Lage, wie Essity betont. Das komplette Zewa-Sortiment, darunter auch Klopapier, enthält nämlich künftig einen Zellstoffanteil aus Stroh von mindestens zehn Prozent. Die Entwicklung dafür habe bereits vor drei Jahren begonnen, sagt die Sprecherin. „Die Idee dahinter ist, ein ungenutztes Rohmaterial, nämlich Stroh, das aus der Region kommt, nutzbar zu machen und den Materialkreislauf weiter zu schließen“, heißt es von Essity. Das Herstellungsverfahren sei energieschonender, dazu verbessere man die Ökobilanz gegenüber Zellstoff aus Holz um 20 Prozent. Essity steht mit Zewa nicht alleine dar: Auch DM hat mit seiner Eigenmarke „Sanft&Sicher“ im August bei einigen Toilettenpapieren auf einen Stroh-Anteil von zehn Prozent umgestellt.

Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft (IW) ist die Insolvenz von Hakle ein viel besseres Beispiel, um die aktuelle Krise der Industrie zu verdeutlichen als eine Zahl in einem Bericht des Statistischen Bundesamtes. Dieses verzeichnete nämlich einen nur leichten Rückgang in der Produktion im Produzierenden Gewerbe im Juli.

Tatsächlich würde die Industrie noch am Standort Deutschland produzieren, sagt Christian Rusche, Ökonom beim IW. „Die Industrie erweist sich als anpassungsfähig.“ Dies zeige sich auch am Gasverbrauch der im Juli im Vergleich zum Mittel der letzten Jahre 2018 bis 2021 deutlich stärker gesunken ist als die Produktion. Dennoch: „Der Druck durch die Unsicherheit, die hohen Preise und die Schnelligkeit des Preisanstiegs werden noch viele Unternehmen überfordern, wenn sich die Gesamtsituation nicht verbessert“, schätzt Rusche. Nach seiner Einschätzung werden weitere Betriebsaufgaben und Insolvenzen die Folge sein.

Die Schieflage bei Hakle überrascht trotzdem. Erst im Juni vermeldete das Marktforschungsunternehmen GfK eine hohe Nachfrage nach Produkten der Branche. Die Umsätze zum Beispiel beim Toilettenpapier seien gegenüber dem Vorjahr um rund 28 Prozent gestiegen.

Aus Sicht der Kunden ist klar, wohin die Reise geht: Entweder steigen die Preise für Papier und Klopapier deutlich oder eine ganze Reihe an hiesigen Anbietern könnte auf Dauer pleite gehen.

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