Automobilbranche Oettinger im Gespräch für Autolobby-Posten

Frankfurt · Der scheidende EU-Kommissar wird als Präsident des VDA gehandelt. Eigentlich sieht der Verhaltenskodex eine Abkühlungsphase vor.

  Günther Oettinger (CDU).

Günther Oettinger (CDU).

Foto: dpa/Christoph Schmidt

Nach Informationen unserer Zeitung ist Günther Oettinger im Gespräch mit dem Verband der Automobilindustrie (VDA). Der in den nächsten Wochen aus den Diensten der EU ausscheidende Haushaltskommissar und bestens vernetzte CDU-Politiker hat zunächst den Verband, der mit dem Abgang des unglücklich agierenden Präsidenten Bernhard Mattes in eine schwere Krise gerutscht ist, lediglich beraten. Doch seit der Absage des ehemaligen SPD-Spitzenpolitikers Sigmar Gabriel für die Matthes-Nachfolge in der vergangenen Woche ist Oettinger als künftiger VDA-Präsident im dreiköpfigen Präsidium des Automobilverbandes offenbar wieder hoch im Kurs. Wie zu hören ist, soll es in den nächsten Wochen ein weiteres Gespräch zwischen einem Vize-Präsidenten des VDA und Oettinger geben.

Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident Oettinger war bereits vor einigen Jahren vom VDA gefragt worden, ob er die Nachfolge von VDA-Präsident Matthias Wissmann antreten wolle. Damals hatte Oettinger aber abgesagt mit Hinweis auf seine Verpflichtungen als deutscher Kommissar im Team von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.

Oettinger, der sich eigentlich mit einer Politik- und Unternehmensberatung selbstständig machen will, hat bislang noch keinen Antrag bei der EU gestellt, sich eine Tätigkeit beim VDA genehmigen zu lassen. Der Verhaltenskodex für Kommissare sieht vor, dass sie mindestens zwei Monate vor Aufnahme einer neuen Tätigkeit die Absicht gegenüber der Kommission deutlich machen müssen. Dies gilt für einen Zeitraum von zwei Jahren nach dem Ausscheiden aus dem Amt. Diese Zeit wird auch als Abkühlungsphase bezeichnet.

In der Abkühlungsphase sind Ex-Kommissaren aber nicht zur Untätigkeit verpflichtet. Laut Verhaltenskodex muss die EU-Kommission nach der Anzeige durch den Kommissar prüfen, ob „die Art der geplanten Tätigkeit vereinbar“ ist und „ob sie eine Nähe hat zum Portfolio des ehemaligen Kommissionsmitglieds“. Wenn dies der Fall ist, kann die Kommission erst über die Zulässigkeit der Aufnahme entscheiden, nachdem sie ein dreiköpfiges unabhängiges Ethik-Komitee befragt hat.

Sollte Oettinger tatsächlich VDA-Chef werden sollen, gilt es unter EU-Diplomaten nicht als ausgemacht, dass er warten und für zwei Jahre „ins Abklingbecken“ muss. Als Haushaltskommissar ist er seit Jahren vor allem mit internen Abläufen der EU beschäftigt. So muss er das Budget aushandeln, EU-Gelder verwalten und ist oberster Personal-Chef der EU-Kommission und aller angeschlossenen Dienststellen. In seiner früheren Funktion als Digitalkommissar wäre ein Wechsel an die VDA-Spitzewohl schwieriger gewesen, weil er damals als Kommissar direkt Kontakt zur Branche hatte. Dieser Kontakt ist aber in seiner Funktion als Haushaltskommissar nicht gegeben. Grundsätzlich gilt: Wenn die Kommission Einwände gegen die Aufnahme einer Lobbytätigkeit hat und sich der Ex-Kommissar darüber hinwegsetzt, riskiert er seine Pensionsansprüche.

 Für den VDA drängt die Zeit, den Präsidentenposten zu besetzen, nachdem Mattes, der offenbar die Unterstützung von VW verloren hatte, während der diesjährigen IAA überraschend angekündigt hatte, Ende des Jahres das Handtuch zu werfen. Wie zu hören ist, stehen auf der Liste von Vorstand und Präsidium des VDA 40 Kandidaten für die Mattes-Nachfolge.

Auf Platz zwei steht dem Vernehmen nach Hildegard Müller, die bis zu ihrem Wechsel an die Spitze des Verbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) eine enge Mitarbeiterin und Vertraute von Angela Merkel war. Offenbar würde Müller den Job gern machen, doch im Kreise der männerdominierten Autoindustrie gibt es wohl Vorbehalte gegen ihre Berufung.

VDA-intern laufen umfangreiche Überlegungen mit dem Ziel, die Verbandsarbeit wieder schlagkräftiger zu machen. Die Außendarstellung litt zuletzt darunter, dass die großen Konzerne immer wieder unterschiedlicher Meinung waren und auf eigene Faust Lobbyarbeit betrieben. Dies betrifft etwa die Haltung zu Subventionen für E-Autos, wo VW mit Forderungen vorgeprescht war, die auf entschiedenen Widerstand von BMW und Mercedes stießen, die auch auf die Brennstoffzelle setzen. Auch bei technischen Standards für die Kommunikation zwischen den Fahrzeugen und der Infrastruktur, die als Basis für das autonome Fahren gelten, bekämpften sich die Lobbyisten der deutschen Hersteller mit harten Bandagen.

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