Athen Stiller Ansturm auf die Banken

Athen · Griechische Geldinstitute geben keine großen Scheine mehr aus.

Donnerstagvormittag, eine Bankfiliale im Athener Stadtteil Ambelokipi. Apostolos D. will sein Geld. Im Radio hat er am Morgen von der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) gehört, ab 11. Februar griechische Staatsanleihen nicht mehr als Sicherheiten gegen neues Zentralbankgeld zu akzeptieren. "Ich habe das Gefühl: Jetzt wird es eng", sagt Apostolos D. Der Mann ist gewissermaßen vom Fach: Bis zu seiner Pensionierung vor zwei Jahren hat er bei einer Bank gearbeitet. Geduldig steht der Rentner vor dem Schalter an. Als er an der Reihe ist, schiebt er dem Kassierer sein Sparbuch zu und sagt: "Abheben, alles bitte." Der 65-Jährige hat immerhin gut 25 000 Euro auf dem Konto. "Da sollten Sie mal mit dem Filialleiter sprechen", sagt der Kassierer.

So geht es derzeit fast allen griechischen Bankkunden, die größere Beträge abheben möchten. Nur selten bekommen sie das Geld anstandslos ausgezahlt. Man konfrontiert sie mit Fragen: Warum wollen Sie das Geld abheben? Möchten Sie nicht noch mal darüber schlafen? Beharrt der Kunde, wird er vertröstet: Der Tresor geht erst in einer Stunde wieder auf. Wer sich so lange geduldet, bekommt sein Geld schließlich. Im Fall von Apostolos D. sind es fünf dicke Banknotenpakete. Lauter Fünfzig-Euro-Scheine. "Haben Sie es nicht größer?", fragt der Rentner. "Leider nicht", antwortet der Kassierer. Hundert-, Zweihundert- oder gar Fünfhundert-Euro-Noten haben in Griechenland Seltenheitswert. Wenige Menschen bekommen diese Scheine jemals zu sehen. An den Bankschaltern bekommt man in der Regel Fünfziger, auch die Geldautomaten spucken keine größeren Scheine aus. Offenbar will man es jenen, die größere Beträge abheben, nicht zu einfach machen.

Bank Run: Bei dem Wort denkt man an lange Schlangen oder Tumulte in den Kassenräumen. In Wirklichkeit läuft so etwas viel ruhiger ab. Schon seit zwei Monaten erlebt Griechenland einen heimlichen Bank Run. Im Dezember schmolzen die Einlagen um 5,4 Milliarden zusammen. Im Januar flossen weitere elf Milliarden ab. Unter dem Strich sind das rund zehn Prozent aller Depositen. Einige Milliarden dürften ins Ausland geflossen sein, der Großteil aber wird wohl in den Wohnungen gebunkert. War es in den ersten Wochen die Sorge vor einem drohenden Staatsbankrott und der Rückkehr zur Drachme unter einer Links-Regierung, kommt nun die Angst um die Zahlungsfähigkeit der Banken hinzu.

Zwar wird den Instituten das Geld nicht ausgehen. Das stellen die Not-Liquiditätshilfen ELA sicher, die Griechenlands Notenbank im Einvernehmen mit der EZB jetzt den Geschäftsbanken gewährt. Dennoch ist die Entwicklung kein guter Einstand für die neue Regierung unter Alexis Tsipras. Gestern wurde das Parlament vereidigt, in dem seine Syriza und die rechtspopulistische Anel mit einer Mehrheit von 162 der 300 Sitze regieren. Die meisten linken Abgeordneten legten keinen religiösen Eid ab.

(RP)
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