Schwerpunkt Eurokrise Griechenland bekommt mehr Zeit

Berlin · Athen wird auch 2020 noch nicht an die Kapitalmärkte zurückkehren können: Damit scheinen sich die Euro-Staaten schon abgefunden zu haben. Die Bundeskanzlerin will das Land trotzdem im Währungsraum halten – mahnt aber gleichzeitig die Umsetzung der zugesagten Reformen an.

Athen wird auch 2020 noch nicht an die Kapitalmärkte zurückkehren können: Damit scheinen sich die Euro-Staaten schon abgefunden zu haben. Die Bundeskanzlerin will das Land trotzdem im Währungsraum halten — mahnt aber gleichzeitig die Umsetzung der zugesagten Reformen an.

Griechenland wird aller Voraussicht nach über das Jahr 2020 hinaus und damit länger als geplant auf die Finanzhilfe der Euro-Staaten und des Internationalen Währungsfonds (IWF) angewiesen sein. Vorgesehen war bisher, dass Griechenland seine Staatsverschuldung bis 2020 auf 120 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) senken und dann als eigenständiger Schuldner wieder an die Kapitalmärkte zurückkehren kann. Die Euro-Staaten und der IWF hätten sich wegen der miserablen wirtschaftlichen Entwicklung aber bereits damit abgefunden, dass Athen das Ziel verfehlen werde, hieß es in EU-Kreisen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte zugleich ihren Willen, Griechenland im Währungsgebiet zu halten. "Ich wünsche mir, dass Griechenland im Euro-Raum bleibt", sagte sie gestern in Berlin. Das Land müsse aber auch seine Verpflichtungen gegenüber den Geldgebern einhalten. "Wir wollen, dass Griechenland Erfolg hat, weil es für uns alle doch besser ist." Erfolgreicher werde Griechenland mittel- und langfristig nur, wenn es die vereinbarten Reformen umsetze. "Es hilft nicht, wenn man sich gegen Maßnahmen auflehnt, die sowieso gemacht werden müssen", sagte sie.

Formal wollen die Euro-Staaten und der IWF den nächsten Bericht der so genannten Troika aus Experten der EU-Kommission, des IWF und der Europäischen Zentralbank (EZB) abwarten, der frühestens in der zweiten Oktober-Woche zu erwarten ist. Mit dem Bericht erteilt die Troika der neuen griechischen Regierung unter Premier Antonis Samaras gewissermaßen eine Zeugnisnote: Erhält die Regierung für ihre Spar- und Reformschritte gerade noch ein "ausreichend" und kein "mangelhaft", liefert der Bericht den Euro-Staaten und dem IWF die erwünschte Grundlage, um Griechenland Aufschub zu gewähren. Letztlich entscheiden über den Verbleib des Landes im Euro-Raum und über weitere Finanzhilfen aber die Regierungen in Berlin und Paris sowie der IWF in Washington.

Samaras ringt derzeit mit der Troika um einen positiven Bericht und um den Aufschub um zwei Jahre für die Umsetzung eines bereits zugesagten Sparprogramms von 11,5 Milliarden Euro. Das Sparpaket könne leichter "geschluckt werden", wenn es auf vier statt bislang auf zwei Jahre angelegt werde, sagte Samaras der "Washington Post". "Wir sprechen von einer Streckung bis 2016", sagte Samaras.

Das Sparpaket ist in der griechischen Drei-Parteien-Koalition weiter umstritten. Es ist jedoch Voraussetzung dafür, dass Athen die nächste Tranche der Hilfszahlungen in Höhe von 31,5 Milliarden Euro erhält. Der Chef der Euro-Gruppe der Finanzminister, Jean-Claude Juncker, appellierte an die drei Koalitionspartner, sich umgehend auf das Sparpaket zu einigen.

Merkel erklärte, die Experten-Troika sei "keine böse Erfindung". Ihr blute auch das Herz, wenn sie an die bereits vollzogenen Kürzungen denke, die "Menschen mit geringen Einkommen" träfen. Es gehe nun darum, dass endlich auch die reichen Griechen mehr zum Wiederaufbau des Landes beitrügen. Künftige Reformen zielten zudem weniger auf neue Einsparungen als auf den Umbau des Wirtschaftssystems und des Arbeitsmarkts, die effektiver werden müssten.

Nach Auskunft des Leiters der "Task Force Griechenland" der EU-Kommission, Horst Reichenbach, hatten die bisherigen griechischen Regierungen bisher zu wenig politischen Willen gezeigt, zugesagte Reformen umzusetzen. Dies gelte gerade auch für die Modernisierung der Steuerverwaltung. Dies habe sich jetzt geändert: Der Regierung Samaras traue er zu, das Steuersystem 2013 grundlegend erneuern.

In Deutschland wächst unterdessen die Euro-Skepsis: Nach einer Umfrage des Forschungsinstituts Emnid im Auftrag der Bertelsmann Stiftung meinen 65 Prozent der Deutschen, dass es ihnen heute mit der D-Mark "viel besser" oder "etwas besser" ginge (siehe Grafik).

(mar)
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