Athen Tsipras tritt zurück, um anzutreten

Athen · Kaum hat Griechenland die ersten 13 Milliarden Euro aus dem Rettungspaket erhalten, geht der Ministerpräsident in die Offensive: Im Herbst sollen die Griechen ein neues Parlament wählen. Er selbst stellt sich natürlich wieder zur Wahl

Alexis Tsipras - selbsternannter Retter Griechenlands
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Das ist Alexis Tsipras

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Foto: dpa, sp ase tba

Die Griechen sollen ein neues Parlament wählen - zum zweiten Mal in diesem Jahr. Ministerpräsident Alexis Tsipras kündigte die vorgezogene Wahl gestern Abend in einer Fernsehansprache an die Nation an. Einen Termin nannte er nicht. Als wahrscheinliches Datum gilt nach Informationen aus Regierungskreisen der 20. September. Tsipras wollte noch am Abend Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos aufsuchen, um den Rücktritt seiner Regierung einzureichen.

In der Botschaft an die Nation erklärte Tsipras, seine Regierung habe das Mandat, das die Wähler Ende Januar erteilten, ausgeschöpft. Nach der Vereinbarung über das neue Hilfsprogramm müsse das Volk nun neu entscheiden. Tsipras verband seine Ankündigung von Neuwahlen mit heftigen Attacken gegen die EU-Partner des Landes: Klares Ziel der Geldgeber in den Verhandlungen sei es gewesen, Griechenland "zu zerstören". Diese Pläne habe seine Regierung aber durchkreuzen können.

Der Staatspräsident muss nun nach der Verfassung die Präsidentin des Areopag, des obersten griechischen Gerichtshofes, mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragen, die das Land zu den Wahlen führen soll. Mit der obersten Richterin Vassiliki Thanou würde damit erstmals in der Geschichte des modernen Griechenland eine Frau Regierungschefin, wenn auch nur für wenige Wochen.

Politisch handlungsfähig dürfte eine solche Übergangsregierung aber nicht sein. Kaum ist das dritte Rettungsprogramm verabschiedet, droht Griechenland deshalb schon wieder eine wochenlange politische Lähmung. Dabei sollte das Parlament schon im September weitere wichtige Reformgesetze beschließen. Eine weitere große Herausforderung für das Land ist auch der ständig anschwellende Flüchtlingsstrom, der auf zahlreichen griechischen Inseln wie Kos oder Lesbos bereits zu chaotischen Zuständen geführt hat.

In Athen wurde seit Wochen über vorgezogene Wahlen spekuliert. Die Regierungspartei, das radikale Linksbündnis Syriza, droht zu zerbrechen. Große Teile der Partei sind nicht bereit, den Sparkurs mitzutragen, den Tsipras auf Druck der Kreditgeber jetzt steuern muss. Schon bei der Abstimmung über die ersten beiden Spar- und Reformpakete im Juli verweigerten mehr als 30 Abgeordnete vom linksextremen Parteiflügel der Regierung die Gefolgschaft. Bei der Verabschiedung des neuen Hilfsprogramms gab es sogar mehr als 40 Abweichler. Tsipras hat damit seine Mehrheit verloren. Nur dank der Hilfestellung pro-europäischer Oppositionsparteien kam das Rettungspaket durchs Parlament.

Nachdem der Euro-Rettungsfonds ESM die erste Kreditrate von 13 Milliarden Euro aus dem neuen Hilfspaket überwiesen hat, konnte die staatliche Schuldenagentur PDMA gestern ihrerseits 3,4 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) überweisen, für Zinsen und die Tilgung griechischer Bonds, die von der EZB gehalten wurden. Griechenland vermied damit einen drohenden Zahlungsausfall. Für Tsipras war das nur eine kurze Erleichterung. Am Nachmittag beriet der Premier mit engen Vertrauten die Lage. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage des Wahltermins. Für einen Urnengang schon im September spricht unter anderem, dass die Bürger die Belastungen des neuen Hilfsprogramms, wie höhere Steuern und Rentenkürzungen, wohl erst im Oktober spüren werden. Tsipras will die Wahlen wohl deshalb beschleunigen, um den Rebellen vom linksextremen Syriza-Flügel wenig Zeit zu geben, sich als eigene Partei zu formieren.

Denn noch ist Tsipras der mit Abstand populärste Politiker des Landes, obwohl er fast keines seiner Wahlversprechen einlösen konnte und auf Druck der Kreditgeber jetzt einen strikten Sparkurs steuern muss. Doch das Volk schätzt ihn wegen seiner lange Zeit harten Haltung gegen die Sparauflagen. So äußerten sich in einer Umfrage in der dritte Juli-Woche 61 Prozent der Befragten positiv zu Tsipras' Regierungsarbeit. Damit liegt der Premier deutlich vor seiner Partei Syriza, die bei der Sonntagsfrage in der Umfrage nur knapp 34 Prozent, rund zwei Prozentpunkte weniger als bei der Wahl Ende Januar, erreichte. Das Linksbündnis liegt damit zwar weit vor der konservativen Nea Dimokratia, die nur auf 18 Prozent kommt. Für eine absolute Mehrheit im Parlament würde das aber nicht reichen.

(RP)
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