Wirtschafts- und Politkrise in Athen Die Sorge vor dem Grexit kehrt zurück

Athen · Wegen der anstehenden Neuwahlen räumen Sparer und Unternehmer in Griechenland ihre Konten. Die Angst vor einer Stürmung der Banken ist zurück - und die Debatte, ob Griechenland aus dem Euro austreten soll.

Die Angst ist nach Griechenland zurückgekehrt. Nachdem es die konservative Regierung von Antonis Samaras nicht geschafft hat, ihren Favoriten zum Staatpräsidenten zu machen und Neuwahlen ausrufen musste, fürchten die Griechen erneut eine Pleite ihre Landes und einen Austritt aus der Währungsunion. Entsprechend versuchen Bürger, ihr Vermögen in Sicherheit zu bringen. Im Dezember holten griechische Sparer und Unternehmen 2,5 Milliarden Euro von den Konten.

Im November waren es schon 200 Millionen Euro. Die Zeitung "Kathimerini" spricht von einer "Mini-Kapitalflucht". Bank-Manager berichten, die Banken würden stets für volle Geldautomaten sorgen, damit keine Panik ausbricht und es nicht zum "Bank-Run", einem Sturm auf die Banken, komme. Wie alle Banken haben auch die griechischen viel weniger Bargeld im Tresor liegen, als die Sparer Forderungen haben. Fünf Jahre nach der Fast-Pleite hat damit die Krise Griechenland wieder voll im Griff.

Was passiert beim Grexit? Unter Grexit (von "Greece" und "exit") versteht man den Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. Der kann freiwillig erfolgen, wenn sich Athen mehr Erfolg von der Wiedereinführung der Drachme verspräche. Der Grexit würde sich auch zwangläufig bei einer griechischen Staatspleite ergeben. Dann dürfte die Europäische Zentralbank gemäß ihren Spielreglen die griechischen Banken nicht mehr mit Euro versorgen. Die griechische Notenbank wäre auf sich gestellt.

Was würde ein Grexit bedeuten? Die (deutschen) Befürworter eines Grexits betonen gerne den Wert einer eigener Währung für Griechenland: Die neue Drachme könnte gegenüber dem Euro kräftig abwerten und den Export günstig werdender griechischer Waren ankurbeln. Langfristig möglich, doch kurzfristig würde Chaos und Lähmung herrschen. Während man die Konten zwar per Knopfdruck von Euro auf Drachme umstellen könnte, würde das Drucken neuer Scheine dauern. Sparer würden ihre Konten räumen, Unternehmen würden nichts mehr investieren und noch mehr entlassen. (Die Arbeitslosigkeit liegt derzeit bei 26 Prozent.) Nach fünf Jahren Rezession, die das Land gerade mühsam überwindet, würde es erneut abstürzen.

Droht die Ansteckung anderer? Die Krise in Griechenland könnte Europa (rein wirtschaftlich gesehen) egal sein, wenn nicht die Ansteckung anderer Länder drohen würde. Gewiss, die Gefahr ist deutlich gesunken. Inzwischen haben die Staaten den Euro-Rettungsschirm ESM mit 500 Milliarden Euro und Bankenrettungsfonds aufgebaut. Zudem steht die Europäische Zentralbank (EZB) mit einer Billion bereit, um Anleihen zu kaufen und so Staaten wie Italien und Spanien weiter zu refinanzieren, falls private Investoren dies einstellen sollten. Dennoch sollte keiner mutwillig testen, ob diese Maßnahmen reichen.

Wie wahrscheinlich ist ein Grexit? In Europas Banken hat man Planspiele angestellt, was ein Grexit für das eigene Haus und die Kunden bedeuten würde. Dennoch erwarten Experten wie Holger Sandte, Chefvolkswirt der Nordea, keinen Grexit: "Die Unsicherheit ist groß, aber ein Grexit ist unwahrscheinlich", lautet Sandtes Fazit zum Jahresende. Er verweist auf die Zinsen für griechische Staatsanleihen. Die sind in den vergangenen Tagen zwar wieder Richtung zehn Prozent marschiert, weil Gläubiger höhere Risikoaufschläge verlangen. (Zum Vergleich: Der deutsche Staat muss seinen Gläubigern nur 0,6 Prozent zahlen.) Doch von jenen 38 Prozent, die Athen im Jahr 2012 - vor dem Eingreifen von EZB-Präsident Draghi ("Wir werden alles zur Rettung des Euro tun") - zahlen musste, ist man weit entfernt. Das zeigt, dass die Anleger nicht panisch sind.

Wie geht es in Griechenland weiter? Das hängt vom Ausgang der Wahlen am 25. Januar ab. Derzeit führt die linkspopulistische Partei Syriza unter Alexis Tsipras, wenn auch ihr Vorsprung schmilzt. Laut jüngster Umfrage kommt Syriza auf 28,1 Prozent, die konservative Nea Demokratia auf 25,1 Prozent, ihr Junior-Partner Pasok auf 4,6 Prozent. Aber die sozialistische Traditionspartei Pasok zeigt Zerfallstendenzen. Der ehemalige sozialistische Regierungschef Giorgos Papandreou gründete am Freitag eine neue Partei. Dieser "Neustart" der "Bewegung" solle das Land "aus der Krise führen", hieß es in einer Erklärung Papandreous. Aber erstens braucht Tsipras einen Juniorpartner und zweitens will auch er längst nicht mehr aus dem Euro austreten, sondern vor allem Lockerungen bei den Sparplänen erreichen. "Syriza würde nicht alle Vereinbarungen mit der Troika schreddern, sondern dürfte vor allem nachverhandeln", meint Sandte.

Kommt jetzt ein neuer Schuldenschnitt? Griechenland ist bisher mit Rettungspaketen im Umfang von 240 Milliarden Euro über Wasser gehalten worden und ist über einen Schuldenschnitt der privaten Banken Milliarden-Schulden losgeworden. Inzwischen hat kaum eine europäische Bank mehr griechische Anleihen im Depot. Um Athen vor der Pleite zu bewahren, wäre ein erneuter Schuldenschnitt - nun der der öffentlichen Gläubiger (also der europäischen Staaten) - denkbar. Eventuell auch in weicher Form wie über eine weitgehende Verlängerung der Kreditlaufzeiten.

Wie es mit Athen und Euro weitergeht, haben jetzt Tsipras und Samaras in der Hand. Staatspräsident Karolos Papoulias rief sie in seiner Neujahrsansprache zur Mäßigung auf: Nun müsse das nationale Interesse gegenüber dem Partei-Interesse überwiegen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort