Steuervermeidungsstrategien Google und Apple wehren sich gegen EU-Pläne

Brüssel · Das EU-Parlament will gegen die Steuervermeidungsstrategien vorgehen. Gewinne sollen künftig dort besteuert werden, wo sie anfallen. Seit gestern müssen sich Vertreter der US-Konzerne in Brüssel erklären.

"Asozial" und "entlarvend" - mit diesen deutlichen Worten hat der SPD-Europaabgeordnete Peter Simon den Auftritt der US-Hightech-Riesen Apple und Google vor dem Europaparlament in Brüssel kritisiert. Ein Sonderausschuss untersucht dort seit knapp einem Jahr das in Europa weit verbreitete System gewaltiger Steuernachlässe für Großkonzerne, nachdem im Zuge der sogenannten LuxLeaks-Affäre Steuersätze von unter einem Prozent etwa in Luxemburg bekannt geworden waren.

Die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hat zusätzlich Untersuchungen eingeleitet, etwa gegen Irland, weil es dem iPhone-Hersteller Apple mittels Steuervorbescheiden eine Vorzugsbehandlung gewährt haben soll. Cathy Kearny, die Vertreterin des Unternehmens, wollte von all dem nichts wissen: "Apple ist der größte Steuerzahler in der Welt", sagte sie. Es ging ein Raunen durch den Sitzungssaal, als sie sich auf Nachfrage des Linken-Abgeordneten Fabio De Masi weigerte, eine konkrete Zahl für die in Europa gezahlten Abgaben zu nennen: "Dazu sind wir gesetzlich nicht verpflichtet."

Der von Google entsandte Vertreter Adam Cohen war da nur ein ganz kleines bisschen auskunftsfreudiger. Er nannte die Zahl von 3,3 Milliarden Dollar (rund drei Milliarden Euro), die der Konzern weltweit an den jeweiligen Staat zahle. Davon gehen demnach 80 Prozent an den Fiskus der USA, wo die meiste Wertschöpfung, in diesem Falle Forschung und Entwicklung, vonstatten gehe: "In Europa arbeiten 2000 Ingenieure für uns, in den USA sind es 20.000." Natürlich werde Google auch dann weiterhin die Regeln einhalten, "wenn sich die Politik entscheiden sollte, die Besteuerung weg von der eigentlichen Wertschöpfung stärker hin zum Umsatz zu lenken".

Dass die geringen Steuersätze in Europa mit einer aktiven Steuervermeidungspolitik seines Arbeitgebers zu tun haben könnte, stritt Cohen ab: "Wir nutzen nur die Steuervorteile, die bekannt sind und sich allen multinationalen Unternehmen bieten - wenn sich diese Gesetze ändern, werden wir sie auch weiter befolgen."

Der Google-Vertreter bestätigte, dass der Konzern eine Holding-Struktur in den Niederlanden ohne einen einzigen Mitarbeiter unterhält, die wiederum in ein Steuermodell mit der Steueroase Bermuda eingebunden ist. "Das Geld auf Bermuda", so Cohen, "ist in Europa bereits versteuert worden." Das Modell nutze lediglich eine gängige Steuerpraxis in den USA aus.

Eingeräumt wurden von den Unternehmen nicht einmal die Ministeuern, die in Dokumenten der EU-Kommission bereits nachzulesen sind. So beharrte etwa Cathy Kearny darauf, dass die Gewinne von Apple in Irland wie dort vorgesehen mit 12,5 Prozent besteuert würden - dass der Gewinn mit dem Segen der irischen Behörden zuvor über vermeintliche Lizenzgebühren für geistiges Eigentum an andere Tochterunternehmen künstlich klein gerechnet wird, erwähnte sie nicht.

Auf die Frage des dänischen Sozialdemokraten Jeppe Kofod, warum denn etwa Google sich gerade auf eine Steuernachzahlung in Großbritannien von rund 200 Millionen Euro eingelassen habe, wo doch angeblich alles in Ordnung sei, wurde dies lediglich mit einer "normalen Anpassung" erklärt. Der frühere AfD-Chef und jetzige Alfa-Abgeordnete Bernd Lucke wollte wissen, ob mit europäischen Steuervergünstigungen die Forschung der Firmen in den USA subventioniert werde, wie es ein Apple-Repräsentant im US-Kongress gesagt haben soll. "Eine solche Aussage", so die kurze Antwort von Kearny, "ist mir nicht bekannt."

Viel lieber wiesen beide Unternehmen darauf hin, wie viele Arbeitsplätze sie in Europa geschaffen haben. Auch die Zahl der Apple Stores in Europa - es sind 109 - durfte nicht fehlen. "Ich begrüße es, dass Apple und Google Jobs bringen, aber das legitimiert sie doch nicht dazu, anders als alle anderen Unternehmen hier kaum Steuern zu zahlen", ärgerte sich der SPD-Mann Simon.

(RP)