Brüssel Gericht: Privileg für stromintensive Industrie ist verfassungswidrig

Brüssel · Unternehmen mit hohem Energieverbrauch müssen mit drastischen Mehrkosten rechnen: Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat die 2011 eingeführte Befreiung großer industrieller Stromverbraucher von den Netzkosten gekippt. Die Verordnung sei verfassungswidrig und nichtig, sagte Richter Wiegand Laubenstein. Eine vollständige Befreiung von den Netzentgelten aus Gleichheitsgründen sei nicht zulässig. Der Beschluss ist aber noch nicht rechtskräftig.

Stromintensive Betriebe sind von den Netzkosten befreit, wenn sie mindestens 7000 Stunden pro Jahr am Netz hängen und ihr Stromverbrauch zehn Gigawattstunden übersteigt. Ein Hauptargument für diese Regelung war, deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb nicht durch hohe Stromkosten ins Hintertreffen zu bringen. Doch wegen der Befreiung der Industrie müssen die privaten Verbraucher mehr zahlen – und zwar 0,329 Cent pro Kilowattstunde. Im Jahr macht das für einen Haushalt mit einem durchschnittlichen Verbrauch von 3500 Kilowattstunden eine Extra-Belastung von 11,50 Euro aus.

Auf Hilfe können die Verbraucher auch von der EU-Kommission hoffen: Die leitet nun ein Verfahren ein. Sie vermutet, dass die Ausnahme für stromintensive Betriebe eine unerlaubte staatliche Beihilfe darstellt. Damit hätten diese Betriebe einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten aus anderen Mitgliedstaaten. Erhärtet sich der Verdacht der Wettbewerbshüter, müssten die Konzerne wohl Millionen zurückzahlen. Zudem dürften sie nicht weiter von den Netzentgelten befreit werden. Laut EU geht es um eine Summe von 300 Millionen Euro allein 2012. In Brüssel hatten sich deutsche Verbraucherorganisationen und nicht begünstigte Konzerne über die Erleichterung für Stromfresser beschwert.

Den Vorwurf staatlicher Beihilfen sieht Berlin als ungerechtfertigt an, weil die Befreiungen durch eine Umlage von allen Stromkunden finanziert werden. Auch das OLG Düsseldorf teilt die Brüsseler Bedenken nicht: "Wir sehen keine unerlaubte staatliche Beihilfe, weil der Umlagemechanismus privatrechtlich ausgestattet wurde", sagte Richter Laubenstein.

(RP)
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