Essen Gribkowsky - Freigänger im Zeugenstand

Essen · Der frühere Vorstand der BayernLB hat sich nach eigenen Angaben mehrmals im Monat mit dem damaligen Arcandor-Chef getroffen und dies stets als dienstlich empfunden. Es sei um Kredite gegangen, die die Bank gewährte.

Thomas Middelhoff hatte nach den Worten des ehemaligen BayernLB-Vorstandes Gerhard Gribkowsky in seiner Zeit als Chef des Karstadt-Mutterkonzerns Arcandor eine riesige Aufgabenlast zu bewältigen. "Wenn ich gehetzt war, war er sehr gehetzt", sagte der inzwischen wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilte Manager gestern als Zeuge im Essener Untreueprozess. Im Klartext: Gribkowsky fühlte sich schon deutlich unter Druck, aber bei Middelhoff sei dieser Druck offensichtlich noch viel stärker gewesen.

Ein gemeinsames Abendessen in Berlin sei deshalb mit Sicherheit ein dienstlicher Termin gewesen, "aus seiner und aus meiner Sicht", sagte der frühere BayernLB-Manager, der nach seiner Verurteilung zu achteinhalb Jahren Haft inzwischen Freigänger ist. Gribkowsky betonte, er habe sich oft mehrmals im Monat mit Middelhoff getroffen, denn die BayernLB sei seinerzeit der größte Kreditgeber bei KarstadtQuelle/Arcandor gewesen. Bei den Treffen sei es in aller Regel um die Restrukturierungsschritte gegangen, sagte Gribkowsky. An einzelne Treffen könne er sich aber nicht mehr erinnern.

Der Hintergrund der Vernehmung: Middelhoff hatte die Flugkosten für den Charterjet nach Berlin laut Anklage in voller Höhe durch Arcandor zahlen lassen. Doch geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass Middelhoff vor allem wegen eines privaten Aufsichtsratsmandats in der Stadt war. Wäre das so gewesen, so hätte der Manager die Flugkosten selbst tragen müssen.

Das Ausscheiden von Thomas Middelhoff als Chef von Arcandor bescherte der von ihm damals regelmäßig genutzten Charterflug-Firma spürbare Umsatzeinbußen. "Das hat man schon gemerkt. Das hat eine ganze Zeit gedauert, bis wir das aufgefangen haben", sagte der Geschäftsführer der Firma Challenge Air vor Gericht. Middelhoff sei zwar kurz nach seinem Ausscheiden bei Arcandor noch mit dem Unternehmen geflogen. "Dann hat es aber ganz aufgehört", sagte der Zeuge. Middelhoff hatte in seiner Zeit bei Arcandor nach eigenen Angaben insgesamt 610 Mal Charterjets genutzt und gut ein Drittel der Flüge selbst bezahlt. Insgesamt 400 Flüge wurden demnach Arcandor in Rechnung gestellt.

Die Staatsanwaltschaft wirft Middelhoff im laufenden Prozess vor dem Essener Landgericht vor, den inzwischen pleitegegangenen Handelskonzern insgesamt mit betriebsfremden Kosten in Höhe von rund 1,1 Millionen Euro belastet zu haben. Hauptsächlich geht es um 48 Flüge mit Charterflugzeugen und Hubschraubern, die von Arcandor bezahlt wurden, nach Auffassung der Anklagebehörde aber ganz oder teilweise privat veranlasst waren. Middelhoff weist die Vorwürfe entschieden zurück. Er hat stets beteuert, es habe eine Übereinkunft mit der Arcandor-Großaktionärin Madeleine Schickedanz gegeben, nach der diese angeblich alle Kosten der Flüge tragen wollte, die nicht von Arcandor übernommen würden.

(dpa)
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