Geld und Leben Was eine Übergewinnsteuer taugt

Meinung · Angesichts hochschnellender Energiepreise wird in Deutschland eine Übergewinnsteuer diskutiert. Profiteure wie die Ölkonzerne sollen höhere Steuern zahlen. Was diese Idee taugt, zeigt auch ein Blick nach England.

Mineralölkonzerne wie Aral sollen eine Übergewinnsteuer bezahlen

Mineralölkonzerne wie Aral sollen eine Übergewinnsteuer bezahlen

Foto: dpa/Christoph Soeder

Dass starke Schultern mehr tragen sollen als schwache, ist vor allem im Steuerwesen eine anerkannte Richtschnur. Konkret heißt „mehr“ meist „überproportional mehr“, was einen progressiven Steuertarif verlangt. Aktuelles Beispiel aus Deutschland: Wer in diesem Jahr 50.000 Euro verdient, zahlt 11.800 Euro Einkommensteuer. Für 100.000 Euro wird nicht das Doppelte fällig, sondern – mit Solidaritätszuschlag – fast das Dreifache. Für große Teile der Unternehmenswelt gilt diese Progression aber nicht, denn Körperschaft- und Gewerbesteuer kennen nur einen Satz. Also wird im Zuge der jüngst hohen Inflationsraten darum gestritten, die offensichtlichen Profiteure zusätzlich zur Kasse zu bitten. Vor allem Ölkonzerne sollen eine „Übergewinnsteuer“ zahlen. So geschieht es etwa in Großbritannien, wo die „Windfall Tax“ Tradition hat. Für Aktionäre betroffener Unternehmen sind damit gleich drei Nachteile verbunden: Erstens greift der Staat tiefer in die Taschen der Unternehmen – Gewinn geht ungeplant verloren. Zweitens fehlt einer solchen Steuer die Systematik – wer hat je von einer Untergewinnsteuer gehört, also einer speziellen Entlastung, wenn es nicht so gut läuft? Die Akzeptanz einer Steuer beruht aber auf solcher Symmetrie, sonst erscheint sie willkürlich. Und drittens benachteiligt eine „Windfall Tax“ systematisch solche Branchen, deren Gewinne stark schwanken. Andere Top-Verdiener wie etwa die Software-Branche sind davon nämlich nicht betroffen, obwohl sie über längere Zeiträume sogar profitabler sind als die Ölkonzerne.

Auch für den Staatshaushalt geht es eher um Symbolik als um echte Summen. Der Finanzminister in Berlin profitiert um ein Vielfaches stärker von der inflationsbedingt hochschießenden Mehrwertsteuer. Die Erfahrungen der Briten legen schließlich nahe, auf eine Übergewinnsteuer zu verzichten: Ihre Verschuldung ist trotz Windfall Tax deutlich höher als die deutsche, und der britische Aktienmarkt präsentiert sich seit Jahrzehnten als einer der schwächsten in Europa.

Unser Autor leitet die Vermögensabteilung von HSBC Deutschland in Düsseldorf. Er wechselt sich hier mit den beiden Wirtschaftsprofessoren Ulrike Neyer und Justus Haucap ab.

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