Geld und Leben Das Inflationsgift wirkt noch immer
Meinung · Zinserhöhungen sind unpopulär, aber die Europäische Zentralbank muss in erster Linie die Inflation bekämpfen. Selbst wenn das zu Lasten der Konjunktur und der Investitionen geht.
In der vergangenen Woche hat die Europäische Zentralbank (EZB) ein weiteres Mal die Zinsen erhöht. Innerhalb von nur 14 Monaten hat die EZB die Zinsen um 4,5 Prozentpunkte erhöht. Der entscheidende Leitzins, der Einlagezins, liegt nun bei vier Prozent. Damit gibt die EZB ein klares Signal. Sie will die hartnäckig hoch bleibende Inflation bekämpfen. Im August lag die Inflationsrate im Euroraum bei 5,3 Prozent. Die Preise sind seit August 2022 im Durchschnitt um 5,3 Prozent gestiegen.
Für das Jahr 2023 insgesamt rechnet die EZB mit einer Inflationsrate von 5,6 Prozent, für das Jahr 2024 mit 3,2 und für 2025 mit 2,1 Prozent. Die Inflation sinkt also, ist aber immer noch auf einem hohen Niveau. Und vor allem: Sie ist hartnäckiger als erwartet. Im Juni wurde noch ein leicht schnellerer Abbau vorausgesagt. Und es ist die gesetzlich festgelegte, vorrangige Aufgabe der EZB, für Preisniveaustabilität zu sorgen. Folgerichtig hat die EZB die Zinsen erhöht.
Diese Entscheidung wird jedoch auch kritisiert. Ein Kommentar in der Wochenzeitung „Die Zeit“ bringt die Kritik auf den Punkt: Die Zinserhöhung sei bitter für die ohnehin schon kriselnde deutsche Wirtschaft. Kredite und damit Investitionen würden teurer, die ganze Wirtschaft verlöre an Schwung. Die Zinsentscheidung der EZB bremse die hiesige Wirtschaft noch weiter aus! Hinzufügen könnte man noch, dass man vor großen Herausforderungen steht, wie der Bekämpfung des Klimawandels, der Digitalisierung, der Erneuerung der maroden Verkehrsinfrastruktur. All das erfordert erhebliche Investitionen, die nun teurer werden.
Das stimmt. Aber: Eine hohe Inflation belastet Verbraucher und Unternehmen, sie ist Gift für eine Volkswirtschaft. Und es ist die Aufgabe der EZB, diese Vergiftung zu bekämpfen. Mit der notwendigen Entgiftung sind Kosten verbunden. Die Wirtschaft wächst weniger, kann sogar in eine Rezession abgleiten. Deshalb ist Augenmaß angesagt, welches die EZB mit einer Zinserhöhung um 0,25 Prozentpunkte zeigt.
Unsere Autorin ist Professorin für monetäre Makroökonomik an der Universität Düsseldorf. Sie wechselt sich hier mit dem Wettbewerbsökonomen Justus Haucap und dem Vermögensexperten Karsten Tripp ab.