Dehoga NRW Gastwirte hoffen auf Steuererleichterung

Düsseldorf · Ende des Jahres läuft die Sieben-Prozent-Regel für Speisen in der Gastronomie aus. Eine Rückkehr zum alten Satz wäre aus Sicht der Branche „eine Katastrophe“. NRW wollte helfen, ist bisher aber bei mehreren Bundesländern abgeblitzt.

Neben NRW spricht sich derzeit nur Bayern dafür aus, die Mehrwertsteuer dauerhaft bei sieben Prozent zu belassen.

Neben NRW spricht sich derzeit nur Bayern dafür aus, die Mehrwertsteuer dauerhaft bei sieben Prozent zu belassen.

Foto: Sylvio Dittrich /imago

Bei seiner Forderung, die Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie über das Jahresende hinaus zu verlängern, hat das nordrhein-westfälische Gastgewerbe renommierte Fürsprecher gefunden. „Die verminderte Mehrwertsteuer sollte dauerhaft beibehalten werden. Die Gastronomie-Branche hat ihr altes Niveau aus der Zeit vor Corona noch nicht erreicht und leidet unter der Zurückhaltung der Kundschaft. Höhere Steuern würden diese Situation verschärfen“, sagte Christian Rusche vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Würde man den erhöhten Steuersatz wiedereinführen, würden somit auch höhere Steuern fällig, obwohl real weniger verkauft würde, erklärte Rusche und ergänzte: „Das würde einer Steuererhöhung gleichkommen, die höher ausfiele, als der reine prozentuale Anstieg es nahelegt. Für die öffentliche Hand würde sich bei den Steuereinnahmen wegen der dann noch stärkeren Kaufzurückhaltung der Kunden nur wenig ändern.“

Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, erklärte auf Anfrage: „Das Ende des verminderten Mehrwertsteuersatzes von sieben Prozent für die Gastronomie zum Jahresende kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Wegen der hohen Inflation ist der Preisdruck in der Gastronomie extrem. Deshalb würde ein Auslaufen nur zu weiteren Preissteigerungen führen.“ Holznagel sprach sich zwar nicht für eine Beibehaltung des niedrigen Steuersatzes aus, empfahl aber, „vor diesem Hintergrund das Umsatzsteuersystem endlich grundsätzlich zu diskutieren und langfristige Lösungen zu finden, die allen Beteiligten Planungssicherheit bietet“.

Seit Juli 2020 gilt in der Gastronomie der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Speisen. Die Regelung war wegen der schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen der Pandemie mit ihren Lockdowns für das Gastgewerbe erlassen worden und wurde zwischenzeitlich bis Ende 2023 verlängert. Danach soll den bisherigen Planungen zufolge wieder der alte Satz von 19 Prozent gelten. Dagegen schlägt der Branchenverband Dehoga NRW Alarm: „Eine Steuererhöhung zum 1. Januar 2024 wäre eine Katastrophe für die Gastronomie und deren Vielfalt in NRW, aber auch für die Gäste“, sagte Patrick Rothkopf, Präsident des Dehoga NRW, unserer Redaktion. Entweder würden die Gastronomen die erhöhte Steuer an die Kunden weitergeben, was aber aus Rothkopfs Sicht zu einem „Preisschock bei den Gästen führen“ würde und weitere Umsatzrückgänge zur Folge hätte. Oder sie würden die Preise auf dem jetzigen Niveau halten und sie aus ohnehin niedrigen Gewinnen bestreiten. „Rücklagen gibt es nicht“, so Rothkopf. Eine Steuererhöhung hätte zur Folge, dass sich die „traurige coronabedingte Entwicklung“ mit fast 6000 Betriebsschließungen allein in NRW in den Jahren 2020 und 2021 fortsetzen würde. Von der Landesregierung erwarte man Unterstützung im Kampf gegen die Steuererhöhung.

Politisch passiert in der Frage aber derzeit nicht viel. Im Koalitionsvertrag der schwarz-grünen Landesregierung ist zwar verankert, die NRW-Landesregierung wolle „kurzfristig einen Gesetzentwurf in den Bundesrat einbringen mit dem Ziel, den bestehenden ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent auf Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen über den 31. Dezember 2022 (bis dahin galt seinerzeit die Regelung, d. Red.) hinaus dauerhaft fortgelten zu lassen“. Doch mit dem Vorhaben biss Schwarz-Grün im Bundesrat im Oktober des vergangenen Jahres auf Granit. Der Vorstoß habe „im Kreise der Bundesländer nicht die erforderliche Mehrheit erhalten“, teilte ein Sprecher des NRW-Finanzministeriums auf Anfrage mit. Die Landesregierung werde die Entwicklungen jedoch weiter dahingehend beobachten, „ob gegebenenfalls eine erneute Gesetzesinitiative zu einem späteren Zeitpunkt Aussicht auf Erfolg haben könnte“. Derzeit sind die Chancen eher klein. Deutliche Zustimmung kommt derzeit nur aus Bayern. Man setze sich für einen dauerhaft ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen sowie eine Ausweitung auf die Getränke ein, so das Finanzministerium in München.

Mehrere andere Länder stehen dem Vorschlag aus NRW dagegen weiter skeptisch gegenüber, und das parteiübergreifend. „Insbesondere die stark steigenden Defizite in den staatlichen Haushalten sprechen eher gegen Entlastungen einzelner Branchen“, erklärte das CDU-geführte Finanzministerium in Sachsen. „Mit Blick auf die sich deutlich verschärfende Finanzlage und die Rückgänge bei der Steuerschätzung muss dieses Thema neu geprüft und priorisiert werden. Für weitere Einnahmeausfälle bei den Ländern bestehen keine Spielräume“, so Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD). Thüringen wies darauf hin, dass durch den ermäßigten Satz 2023 Steuermindereinnahmen in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro für die Länder erwartet würden.

Auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, sprach sich gegen eine Beibehaltung des niedrigen Satzes aus. „Es gibt keinen guten Grund für eine permanente Absenkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie. Es sind vor allem Menschen mit hohen Einkommen, die von der geringeren Mehrwertsteuer profitieren, sodass diese Absenkung eher eine Umverteilung von unten nach oben bedeutet. Wenn die Politik zielgenau Menschen mit geringen Einkommen über die Mehrwertsteuer entlasten will, dann sollte sie die Mehrwertsteuer für nachhaltige Lebensmittel absenken“, so Fratzscher.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort