Für Beschäftigte, Verbraucher und Städte Die Folgen des Galeria-Dramas

Essen · Der Einzelhandelskonzern ist pleite - zum zweiten Mal in zwei Jahren. Nun hat er ein Schutzschirmverfahren beantragt und angekündigt, ein Drittel seiner Filialen deutschlandweit zu schließen. Was das für die Beschäftigten und die Innenstädte in NRW bedeutet.

Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof will bundesweit zahlreiche Filialen schließen.

Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof will bundesweit zahlreiche Filialen schließen.

Foto: dpa/Boris Roessler

Der Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof hat zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren Insolvenz in Eigenverwaltung angemeldet. Voraussichtlich wird er ein Drittel seiner 131 verbliebenen Filialen schließen. Grund dafür sind laut Hauptgeschäftsführer Miguel Müllenbach die historisch negative Konsumstimmung und die allgemeine Kaufzurückhaltung der Kunden. Seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine hätten sich die Rahmenbedingungen für das Unternehmen grundlegend geändert: Die hohe Inflationsrate von mittlerweile über zehn Prozent und die steigenden Energiepreise führten dazu, dass immer weniger Menschen in die Innenstädte kommen.

Nun hat Galeria Karstadt Kaufhof, wie schon 2020, ein Schutzschirmverfahren beantragt, mit dem das Management den Konzern selbst sanieren möchte. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Wie funktioniert das Schutzschirmverfahren?

Bei einem Schutzschirmverfahren rettet sich ein Konzern mit harten Sanierungsmaßnahmen sozusagen in Eigenregie, das Management bleibt bestehen. Ein Sanierer – in diesem Fall Arndt Geiwitz – überwacht es. Das Verfahren kann nur beantragt werden, wenn dem Unternehmen die Insolvenz droht, sie aber noch nicht eingetreten ist. Währenddessen dürfen Gläubiger nicht auf das Unternehmen zugreifen. Beschäftigte können innerhalb von drei Monaten entlassen werden. Ein Sachwalter – in dem Fall Frank Kebekus – stellt sicher, dass die Interessen der Gläubiger dennoch Gehör finden.

Was bedeutet das Schutzschirmverfahren für die 17.400 Beschäftigten?

Die Geschäftsführung hat angekündigt, ein Drittel der 131 Warenhäuser zu schließen – dort drohen betriebsbedingte Kündigungen. Die Mitarbeiter müssten sich dann neue Arbeit suchen, doch viele von ihnen sind schon älter als 50 Jahre alt und häufig droht ihnen eine Verschlechterung beim Lohn trotz Fachkräftemangel. Die zuständige Gewerkschaft Verdi erklärte, um jeden Job kämpfen zu wollen. Anja Weber, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschafsbundes in NRW sagt unserer Redaktion: „Die Beschäftigten bei Galeria sind zurecht wütend und enttäuscht: Sie haben auf Lohnerhöhungen verzichtet und nun droht ihnen der Arbeitsplatzverlust. Ganz offensichtlich wurde von Seiten des Eigentümers zu wenig investiert, dabei erfordert ein Handelsriese wie Galeria auch Rieseninvestitionen.“ Nicht nur Beschäftigte seien betroffen, sondern alle Menschen in der Stadt: Kaufhäuser seien Anker- und Traditionspunkte für die Innenstädte. „Wir erwarten, dass gemeinsam mit Verdi eine Verhandlungslösung gefunden wird und die Arbeitsplätze erhalten bleiben“, so Weber.

Wie viele Filialen in NRW könnten schließen?

Bislang ist noch unklar, welche der 131 Warenhäuser zumachen. Galeria Karstadt Kaufhof wolle in den kommenden Wochen eine Liste erstellen, kündigte Sanierer Geiwitz an. Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein geht aber davon aus, dass auf lange Sicht höchstens zehn der 31 Filialen in NRW bestehen bleiben – und das am ehesten in Köln, Düsseldorf und Münster. Gregor Berghausen, Hauptgeschäftsführer der IHK Düsseldorf, zeigte sich für den Standort Düsseldorf zuversichtlich: „Nachdem früher einige Kaufhof-Filialen in Düsseldorf geschlossen wurden, sehe ich in der Stadt eher keinen weiteren Konsolidierungsdruck mehr“, sagte er. Karstadt habe ein eigenes Profil am Wehrhahn, Kaufhof sei an der Königsallee ein absoluter „Flagstore“, und für das Carsch-Haus sei unlängst ein eigenes KaDeWe-Konzept vorgestellt worden. Diese Angebote seien aufeinander abgestimmt und ergänzten sich im Sinne des Innenstadthandels in Düsseldorf.

Generell sei Galeria Karstadt Kaufhof laut Heinemann ein Auslaufmodell, das sich vor allem in Städten mit unter 500.000 Einwohnern nicht mehr lohne. „Ich kann mir vorstellen, dass die Warenhäuser in Zukunft zu Shoppingcentern umfunktioniert werden. Galeria wird noch mehr Fläche als bisher untervermieten müssen“, sagte Heinemann unserer Redaktion.

Was bedeutet die Insolvenz Galeria Kaufhofs für die Städte?

Besorgt wegen einem drohenden Veröden mancher Innenstädte ist Thomas Kufen (CDU), Oberbürgermeister von Essen und Vorsitzender des Städtetages in NRW: „Wenn Filialen leer stehen, verliert das gesamte Umfeld schnell an Attraktivität. Der Städtetag setzt sich dafür ein, rasch Lösungen zu finden, um Schließungen soweit wie möglich zu verhindern“, sagte er. Jetzt müssten alle Beteiligten auf Augenhöhe miteinander sprechen. Der Kampf um jede Filiale lohne. „Noch wissen wir nicht, wie stark die Städte in NRW von Kaufhaus-Schließungen betroffen wären. Hier brauchen wir schnell Klarheit“, so Kufen.

Was geht für die Verbraucher verloren?

Für die Verbraucher ändere sich nicht viel, sagt Handelsexperte Heinemann. Sie kauften ja ohnehin nicht mehr bei Galeria Karstadt Kaufhof ein, sonst wäre der Konzern nicht schon zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren insolvent. „Das Warenhaus stirbt aus. Das lässt sich nicht mehr verhindern“, so Heinemann. Die Betriebsform sei vor 170 Jahren entstanden und stehe nun am Ende ihres Lebenszyklus.

Was sagt die Politik? NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) zeigte sich besonders den Arbeitnehmenden gegenüber zugewandt: „Ich mache mir Sorgen um die MitarbeiterInnen von Galeria Karstadt Kaufhof, die in den zurückliegenden Jahren schon viele Zugeständnisse machen mussten und die jetzt in diesen ohnehin herausfordernden Zeiten erneut um ihre Arbeitsplätze bangen müssen“, sagte sie. Sie hoffe nun, dass eine Lösung die Interessen der Mitarbeiter „bestmöglich berücksichtigt.“ Konkrete Hilfe könne aber nur die Bundesregierung leisten, die auch mit dem Wirtschaftstabilisierungsfonds das entsprechende Instrumentarium habe. NRW selber hätte solche Möglichkeiten nicht.

Die Düsseldorfer SPD-Bundestagsabgeordnete Zanda Martens meint, Hauptinhaber Rene Benko habe die Warenhauskette mit „künstlich hohen Mieten“ in die Verluste getrieben. Nun müsse der Österreicher einen Beitrag zur Sanierung der Warenhauskette leisten: „Benko stiehlt sich schon wieder aus der Verantwortung, fühlt sich an keine Vereinbarung verpflichtet, während die Beschäftigten die Folgen einer harten und rücksichtslosen Durchsetzung der Profitinteressen des Arbeitgebers abwehren müssen“, sagte sie.

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