Berlin/Düsseldorf Gabriel gegen Stromprivileg für Kohle

Berlin/Düsseldorf · Der Bundeswirtschaftsminister will die Stromprivilegien für den Kohlebergbau und für neue Eigenstromanlagen der Industrie drastisch kürzen. Den Bergbau-Unternehmen RAG und RWE drohen Kosten in je zweistelliger Millionenhöhe.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will seinen Gesetzentwurf zur Ökostrom-Reform nachbessern. In einem vertraulichen Brief an CDU-Fraktionsvize Michael Fuchs, der unserer Redaktion vorliegt, schlägt er stärkere Strompreis-Belastungen für die Stein- und Braunkohleförderung vor. Auch die Strom-Privilegien für Unternehmen wie ThyssenKrupp, die ihren Industriestrom teilweise selbst produzieren, will Gabriel senken. Letzteres soll allerdings nur neue Eigenstromanlagen betreffen. "Für alle Bestandsanlagen ändert sich nichts", verspricht Gabriel in dem Brief.

Wenn er sich durchsetzt - und das gilt als wahrscheinlich - drohen dem deutschen Stein- und Braunkohlebergbau jährlich jeweils Strom-Mehrkosten in mindestens zweistelliger Millionenhöhe. Der auslaufende Steinkohlebergbau wird in Deutschland indirekt von der RAG-Stiftung betrieben, deren Zweck die Finanzierung der Steinkohlebergbau-Ewigkeitslasten (etwa künftige Bergschäden) ist. Den NRW-Braunkohletagebau ("Garzweiler") betreibt der angeschlagene Stromkonzern RWE.

Bislang profitieren der Bergbau und die Eigenstromanlagen der Industrie von Vergünstigungen bei der EEG-Umlage. Zu den Rabatten schreibt Gabriel: "Dies ist vor dem Hintergrund des EEG-Ziels ,Klimaschutz' schwer vermittelbar. Der Stromverbrauch für die Gewinnung fossiler Energien sollte daher grundsätzlich mit der EEG-Umlage belastet werden." Gabriel will beim Kohlebergbau den Strom von Neu- und Bestandsanlagen 2015 zu 20 Prozent, 2016 zu 35 Prozent und ab 2017 zu 50 Prozent mit der EEG-Umlage belasten. Was das für sie bedeuten würde, wollten gestern weder RWE noch die RAG-Steinkohletochter sagen. Ebenso verweigern beide Angaben zur Höhe ihrer bisher erhaltenen EEG-Vergünstigungen. Der Grund für die Geheimniskrämerei: Beide Unternehmen reagieren äußerst nervös auf Gabriels Vorstoß und versuchen, "das Thema hinter verschlossenen Türen einzufangen", wie ein Insider aus dem RAG-Umfeld sagt. Bei der RAG steht dem Insider zufolge ein hoher zweistelliger Millionenbetrag pro Jahr auf dem Spiel. Im RWE-Umfeld werden die Stromvergünstigungen für den Tagebau noch höher eingeschätzt.

Die EEG-Vergünstigungen für Strom, den Industrieunternehmen selbst produzieren und verbrauchen, sollen nur bei künftigen Neuanlagen sinken. "Es muss unbedingt verhindert werden, dass Eigenstromanlagen allein deshalb gebaut werden, weil die bestehenden Regelungen es erlauben, damit Gemeinkosten wie die EEG-Umlage auf andere Strombezieher zu verlagern", begründet Gabriel. Statt der bisherigen 15 sollen Eigenstomanlagen künftig 50 Prozent der EEG-Umlage zahlen. Was das bedeutet, zeigt das Beispiel ThyssenKrupp: Der Konzern sparte durch den EEG-Rabatt in seiner europäischen Stahlsparte im vergangenen Jahr 80 Millionen Euro - mehr als die Hälfte dessen, was die Sparte in einem gesamten Geschäftsjahr verdient.

Innerhalb der SPD sorgt Gabriels Vorstoß für Streit. NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin sagte gestern zu den Vorschlägen seines Parteifreundes: "Wer die Kohleerzeuger belastet, nimmt auch zusätzliche Verzerrungen am Strommarkt in Kauf - zugunsten des vergleichsweise teuren Energieträgers Gas." Die von Gabriels Plänen am stärksten belasteten Unternehmen zahlen überwiegend in NRW ihre Steuern. Duin: "Darüber hinaus würde dieser Schritt den Haushalt des Landes NRW unmittelbar belasten und den ohnehin schon hohen Beitrag Nordrhein-Westfalens zur Finanzierung der Energiewende weiter erhöhen."

(RP)
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