Berlin Gabriel erntet viel Kritik mit Siemens-Posten

Berlin · Der frühere Außen- und Wirtschaftsminister will im März 2019 in den Verwaltungsrat des neuen Zug-Konzerns Siemens Alstom wechseln.

Der bevorstehende Wechsel des früheren Außen- und Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) in den Verwaltungsrat des neuen deutsch-französischen Zug-Konzerns Siemens Alstom sorgt für eine Kontroverse über den Einfluss von Konzernen und Lobbyisten auf die Politik. Er habe die Bundesregierung umfassend über seine Berufung in das Kontrollgremium informiert, erklärte der frühere SPD-Chef. "Selbstverständlich" halte er sich an die gesetzliche Vorgabe für ehemalige Regierungsmitglieder, wonach bis zum Wechsel mindestens eine Karenzzeit von einem Jahr verstrichen sein soll. Gabriel will den Posten erst im März 2019 antreten, zwölf Monate nach seinem Ausscheiden als Außenminister. Dennoch löste seine Berufung viel Kritik der Opposition und von Anti-Lobbyismus-Organisationen aus.

Der fusionierte Zug-Konzern Siemens Alstom soll Ende des Jahres an den Start gehen. Der Zusammenschluss muss aber von den Kartellbehörden noch gebilligt werden.

Wechsel von Spitzenpolitikern auf einträgliche Wirtschaftsposten führen immer wieder zu Debatten, weil der Verdacht naheliegt, dass sich die Unternehmen das Insiderwissen und den Einfluss auf die politischen Machtzentralen einkaufen. Schlagzeilen machten etwa die Berufungen des früheren Bundesgesundheitsministers Daniel Bahr (FDP) zum Versicherungskonzern Allianz, des Ex-Staatsministers im Kanzleramt, Eckart von Klaeden (CDU), zum Autokonzern Daimler, des Altkanzlers Gerhard Schröder (SPD) zu den russischen Staatskonzernen Gazprom und Rosneft oder von Ex-NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne) zur Techniker Krankenkasse.

Der Fall des früheren Kanzleramtschefs Ronald Pofalla (CDU), der in die Führungsetage der Deutschen Bahn wechselte, führte 2015 zur Einführung einer Karenzzeit für Bundesminister und Staatssekretäre. Sie müssen der Regierung ihre Wechselambitionen anzeigen und mindestens eine Pause von zwölf Monaten, in Ausnahmefällen von bis zu 18 Monaten einlegen. Zudem prüft eine Ethikkommission die Zulässigkeit des Wechsels. Zu deren Mitgliedern wurden erst Mitte 2016 der frühere Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU), Ex-Grünen-Fraktionschefin Krista Sager und der ehemalige Verfassungsrichter Michael Gerhardt ernannt. Das Gremium soll sich jetzt auch mit Gabriel beschäftigen. Er soll als Verwaltungsratsmitglied pro Jahr rund 60.000 Euro erhalten.

Eine Besonderheit ist, dass sich Gabriel als Wirtschaftsminister 2014 in einem anderen Teilverkauf von Alstom für Siemens stark gemacht hatte. Damals ging es um das Kraftwerks-Geschäft, das aber nicht Siemens, sondern der US-Konzern General Electric übernahm. Sein Einsatz 2014 macht Gabriels Wechsel nun aber besonders umstritten. Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann erklärte, die Wechsel müssten möglich sein. "Gabriels anstehende Tätigkeit im Aufsichtsrat von Siemens/Alstom nach so kurzer Zeit ist allerdings instinktlos", sagte Haßelmann. "Gabriel selbst hat sich für die Fusion von Teilsparten dieser Unternehmen eingesetzt. Dass er jetzt so einen Posten bei Siemens/Alstom übernimmt, hinterlässt einen schalen Beigeschmack."

Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht wurde noch deutlicher. "Dass finanzstarke Unternehmen und Verbände ehemalige Spitzenpolitiker einkaufen, um dank deren Kontakte einen direkten Draht in die Ministerien und Parlamente zu erhalten, ist Lobbyismus pur und außerdem eine Form der Korruption nach dem Motto ´bezahlt wird später´", sagte sie. Die Organisation Lobby Control forderte eine Verlängerung der Karenzzeit auf drei Jahre. "Drei Jahre sollten Mindestmaß sein. Zudem brauchen wir endlich Sanktionen, sonst bleibt die Karenzzeitregelung zahnlos", sagte Geschäftsführerin Heidi Bank.

Keine Kritik kam aus der Union. "Wenn Herr Gabriel die vorgeschriebene Karenzzeit einhält, ist dagegen rechtlich nichts auszusetzen", sagte Fraktionsvize Carsten Linnemann. Unabhängig vom Fall Gabriel: Grundsätzlich brauchen wir mehr Wechsel zwischen Wirtschaft und Politik. Ich möchte kein reines Beamtenparlament haben."

(jd/mar)
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