Washington Für Fed-Chefin Yellen ist die Schonzeit vorbei

Washington · Vor einem Jahr wurde erstmals eine Frau Chef der amerikanischen Notenbank. Nun muss sie die Zinswende managen.

Janet Yellen mag keine lauten Auftritte. Als die Volkswirtin am 3. Februar 2014 ihren Amtseid als Chefin der Federal Reserve (Fed) ablegte, gab es nur eine schlichte Zeremonie. Nicht mal eine Antrittsrede hielt die erste Frau an der Spitze der amerikanischen Notenbank. Sie setzte sich einfach an ihren Schreibtisch und machte weiter, wo ihr bisheriger Chef, Vorgänger Ben Bernanke, aufgehört hatte.

Yellen wusste um ihre schwere Aufgabe. Das erste Amtsjahr war davon geprägt, die Fed aus dem Krisenmodus zurück in die Normalität zu führen. Monat für Monat reduzierte die Bank unter ihrer Ägide den Geldfluss, bis er im November ganz versiegte. Der Ausstieg gelang, Turbulenzen an den Börsen blieben weitgehend aus. Es wirkt, als hätte die 68-Jährige ihre Bewährungsprobe gemeistert.

Doch der Plan für den Ausstieg aus der "Quantitativen Lockerung", bei der gewaltige Geldsummen zur Konjunkturstützung ins System gepumpt wurden, stand bei Yellens Amtsantritt bereits fest. Bernanke hatte ihn bei seiner letzten Sitzung als Fed-Chef vorgestellt, seine Nachfolgerin musste ihn nur ausführen. Der gute Arbeitsmarkt und die kräftige Konjunktur machen es ihr leicht. Die USA sind Europa damit weit voraus. In der Eurozone hat der Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank gerade erst begonnen.

Eigentlich seien die ersten zwölf Monate für Yellen nur "ausgedehnte Flitterwochen" gewesen, sagt Steve Liesman vom Wirtschaftssender CNBC. Richtig ernst wird es für sie erst jetzt. Die Fed steht vor ihrer ersten Zinserhöhung seit der Finanzkrise 2008. Seit langem fragt sich die Finanzwelt, wann die Geldhüter in Washington von ihren historischen Niedrigraten knapp über der Nullinie lassen. Und ob es gelingt, ohne die Weltwirtschaft in schwieriges Fahrwasser zu bringen.

Die wichtigste geldpolitische Entscheidung seit dem Ende der Finanzkrise will gut überlegt und perfekt kommuniziert sein. Bisher hat Yellen ihre Sache gut gemacht. Unter ihrer Führung hat sich die Sprache der Fed-Mitteilungen verändert. Yellen hat die Märkte behutsam auf eine Zinserhöhung vorbereitet, ohne mit einer schiefen Formulierung für Unruhe zu sorgen. Auch bei Pressekonferenzen ließ sie sich nur einmal aus der Ruhe bringen, als sie sich unbedacht zur hohen Bewertung von Facebook und anderen Netzwerken äußerte.

Die Währungshüterin, die in Brooklyn als Tochter eines Arztes geboren wurde und mit dem Nobelpreisträger George Akerlof verheiratet ist, weiß, was auf dem Spiel steht. Schwellenländer zittern vor einem massiven Kapitalabfluss, weil Investoren auf höhere Zinseinnahmen in den USA hoffen. Hypothekenzinsen steigen, was dem für die heimische Konjunktur wichtigen Häusermarkt wehtun wird. Aktienbesitzer fürchten Vermögensverluste. Doch vor allem will Yellen vermeiden, dem US-Jobmarkt zu schaden. Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit war schon ihr Steckenpferd, bevor sie zur Notenbank kam.

(dpa)
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