Stuttgart Freispruch für den Ex-Porsche-Chef

Stuttgart · Wendelin Wiedeking und sein früherer Vorstandskollege Holger Härter haben 2008 den VW-Aktienkurs nicht manipuliert. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart ist eine Ohrfeige für die Staatsanwaltschaft.

Wendelin Wiedeking war in seiner Zeit als Porsche-Chef einer der zwiespältigsten Manager Deutschlands. Gefeiert wegen seiner Erfolge und gerügt, weil er sich den ständigen Veröffentlichungszwängen der Börse versagte. Dann kam 2008 mit dem fehlgeschlagenen Versuch, VW zu übernehmen, der Absturz; am Ende fand sich Wiedeking wegen des Verdachts der Kursmanipulation im Übernahmepoker als Angeklagter im Landgericht Stuttgart wieder. Das hat ihn gestern indes freigesprochen, ebenso wie den früheren Finanzvorstand Holger Härter. Eine Verurteilung wäre "nicht rational begründbar" gewesen, sagte Richter Frank Maurer.

Das ist der höfliche Teil der richterlichen Erklärung. Der weniger höfliche ließe sich so formulieren: Maurer hat die Ankläger in den Senkel gestellt. "An den Vorwürfen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft ist nichts dran, nichts - weder vorne, noch hinten, noch in der Mitte", sagte der Richter. Deutlicher geht es nicht. Der Versuch, Wiedeking und Härter nachzuweisen, sie hätten 2008 VW-Übernahmepläne lange Zeit unter der Decke gehalten, um zu verhindern, dass der Aktienkurs des größten deutschen Autobauers explodierte, war ein Desaster. Kein Zeuge hat diesen Verdacht auch nur ansatzweise bestätigen können.

Wie konnte der Vorwurf überhaupt entstehen? Ende Oktober 2008 durfte sich Wiedeking am Ziel seiner Träume wähnen. Porsche hatte damals Zugriff auf 74,1 Prozent der VW-Aktien, und es schien so, als sollte der Sportwagenbauer den eigenen Mutterkonzern tatsächlich schlucken können. Dann geriet Porsche ins Schlingern, bekam Probleme bei der Finanzierung des geplanten Mega-Geschäfts, Wiedekings Träume platzten.

Und nicht nur seine: Anleger verloren Milliarden. Denn manche Investoren hatten nach wiederholten Dementis von Wiedeking auf fallende Kurse gesetzt. Als der Porsche-Chef die Übernahmepläne Ende Oktober 2008 bestätigte, ging der VW-Kurs durch die Decke. Binnen weniger Tage stieg der Börsenwert um 300 Milliarden Euro und machte VW zwischenzeitlich zum wertvollsten Konzern der Welt, dann brach er um 100 Milliarden Euro ein. Die Kurskapriolen stürzten viele Anleger in ein Tal der Tränen. Noch jetzt laufen mehrere Zivilprozesse, in denen Investoren auf Schadenersatz klagen.

Ihre Chancen dürften durch das strafrechtliche Urteil von gestern geschrumpft sein. Denn der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, Wiedeking und Härter hätten ihre Übernahmepläne lange verschleiert und Anleger unzureichend informiert, um den VW-Aktienkurs im eigenen Interesse steuern zu können, war nicht zu belegen. Und deshalb wird es auch nicht einfacher, einen ausdrücklich durch das Porsche-Management von einst ausgelösten Schaden nachzuweisen. Wiedeking selbst hatte immer argumentiert, er habe die Pläne gar nicht früher öffentlich machen können, weil der Aufsichtsrat der Porsche Holding dem Vorhaben erst Ende Oktober 2008 zugestimmt habe.

Die beiden Manager und ihre Vertreter haben einen Sieg auf ganzer Linie errungen. Jeweils mehr als zwei Jahre Haft für die Angeklagten hatten die Staatsanwälte gefordert, dazu ein Millionen-Bußgeld gegen Porsche. Stattdessen mussten sie sich vom Richter vorführen lassen. Drohende Milliardenverluste, die die Ankläger als Motiv für Wiedekings Handeln ausgemacht haben wollten, nannte Richter Maurer "unrealistische Verlustgespenste". Wiedekings Vertreter sprachen von einer "juristischen Hinrichtung" - und das in einem der öffentlichkeitswirksamsten Wirtschaftsstrafprozesse der jüngeren Vergangenheit. Der Staatsanwaltschaft bleibt jetzt noch eine Revision vor dem Bundesgerichtshof.

(RP)
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