Düsseldorf Frauen auf Rückzug aus den Vorständen

Düsseldorf · Oft wie nie rückten Frauen in den vergangenen drei Jahren in Spitzenjobs – auch wegen des "Zeitgeistes". Doch bei SAP, Eon und nun bei Siemens folgt schon bald der Rückzug. Berater raten zu mehr Förderung im mittleren Management.

Oft wie nie rückten Frauen in den vergangenen drei Jahren in Spitzenjobs — auch wegen des "Zeitgeistes". Doch bei SAP, Eon und nun bei Siemens folgt schon bald der Rückzug. Berater raten zu mehr Förderung im mittleren Management.

Mit machtbewussten Männern kann Brigitte Ederer ansich bestens umspringen: Immerhin war die 57-Jährige früher Bundesgeschäftsführerin der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, wurde Abgeordnete und Staatsministerin, bevor sie bei Siemens zuerst Österreich-Chefin und dann Personalvorstand wurde. Ende des Monats ist Schluss damit. Denn Betriebsratschef Lothar Adler drängte auf ihren Rausschmiss: Ederer hatte sich geweigert, seinen Arbeitsvertrag über das 65. Lebensjahr hinaus zu verlängern, jetzt bleibt Adler voraussichtlich noch lange s— und sie geht. "Ihr Kopf ist der Preis dafür, dass die Arbeitnehmer die Wahl von Joe Kaeser zum neuen Vorstandschef unterstützten", berichtet ein Konzernkenner.

So wie Brigitte Ederer geht es zunehmend Spitzenfrauen in der Wirtschaft. Ihre Vorstandskollegin Barbara Kux, 59, geht ebenfalls bei Siemens — angeblich braucht man keinen Zentralvorstand für Einkauf mehr. Bei Eon verließ Ende Juni Regine Stachelhaus, 58, den Vorstand — vorrangiger Grund war die Krankheit ihres Mannes, doch die harten Konflikte mit der Belegschaft nagten auch an ihren Nerven. Und beim Softwarekonzern SAP aus Walldorf hielt es Angelika Dammann, 54, ein Jahr im Vorstand aus, bevor sie im August 2011 hinschmiss.

Woran liegen nun die Gründe für die vielen Rücktritte von zuerst hochgelobten Top-Frauen? "Wir haben es zuerst einmal mit einem statistischen Phänomen zu tun", sagt Jörg Will, Chef der Kölner Personalberatung IFP, "wenn viele Frauen in relativ kurzer Zeit in Spitzenjobs befördert werden, scheitern auch relativ viele." Dabei muss gesehen werden, dass es 2010 gerade einmal drei Frauen in den Vorstand eines der 30 Dax-Konzerne geschafft hatten, aktuell sind es 14 — ihnen stehen mehr als 170 Männer gegenüber.

Gleichzeitig ist unverkennbar, dass der gesellschaftliche Trend, Frauen in Spitzenpositionen zu bringen, auch einige Managerinnen auf die Überholspur brachte, die ein Mann mit ähnlichem Lebenslauf vielleicht nicht errreicht hätte.

So hatte Eon-Managerin Stachelhaus zwar viele Jahre in der Geschäftsführung von Hewlett-Packard in Deutschland verbracht und war dann (für weniger Gehalt) Chefin von Unicef Deutschland, doch als echte Führungserfahrung an der Spitze eines Großkonzerns konnte man beide Positionen nicht sehen. "Wir haben es mit einem Lemminge-Effekt zu tun", sagte der Personalberater Heiner Thorborg zur "Wirtschaftswoche", "Aufsichtsräte und auch Berater beurteilen Frauen oft unkritischer als Männer."

Zusätzlich sind einige Frauen offensichtlich eher bereit, bei Problemen einen Spitzenjob zu räumen als so mancher Mann. "Viele Frauen haben einen ganzheitlicheren Blick auf ihr Leben als ihre männlichen Kollegen", berichtet Berater Will. "Sie klammern sich nicht an ihre hierarchische Positon um fast jeden Preis."So räumte SAP-Frau Dammann offenherzig ein, es habe "keinen anderen Weg" gegeben, nachdem sie sich mit per Privatjet organisierten Heimflügen zu ihrer Familie auf Firmenkosten unmöglich gemacht habe. Eon-Managerin Regine Stachelhaus berichtete in Interviews ausführlich, wie wichtig ihr auch ihr Privatleben ist.

Bedeuten die vielen Rückzüge nun, dass der Vormarsch von Frauen in die Chefetagen gestoppt ist? Unternehmen und Berater sehen das anders: So versuchen Henkel, Telekom oder auch die Post das Befördern von Frauen in den Vorstand mit gleichzeitigem Training von Nachwuchskräften zu unterfüttern — häufig auch mit Mentorinnen. Berater Will sagt, was das bringen soll. "Wir brauchen eine stärkere systematische Förderung von Frauen gerade in der Ebene unterhalb des Vorstandes. Dann sind sie auch besser vorbereitet auf Spitzenpositionen."

(RP)
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