Energieversorgung in Frankreich Korrosion an Akw und Sommerhitze gefährden Stromproduktion

Paris · In Frankreich hat die Stromerzeugung durch Kernkraft einen hohen Stellenwert. Doch in dem Land, das sich mehr als alle anderen der Atomkraft verschrieben hat, gibt es zahlreiche Probleme mit den alternden Kraftwerken. Ein heißer, trockener Sommer droht die Lage noch zu verschärfen.

 Das französische Kernkraftwerk Fessenheim (Symbolbild).

Das französische Kernkraftwerk Fessenheim (Symbolbild).

Foto: dpa/Patrick Seeger

Im französischen Regierungsprogramm hat Atomkraft einen prominenten Platz: „Die Energiewende wird dank der Atomkraft gelingen“, versicherte Premierministerin Elisabeth Borne den Abgeordneten und verwies darauf, dass Atomkraft CO2-neutral, „souverän und wettbewerbsfähig“ sei. Doch in dem Land, das sich mehr als alle anderen der Atomkraft verschrieben hat, gibt es zahlreiche Probleme mit den alternden Kraftwerken. Ein heißer, trockener Sommer droht die Lage noch zu verschärfen.

Seit in Deutschland Sommerwetter herrscht, produzieren die deutschen Solarkraftwerke zeitweise mehr als alle französischen Atomkraftwerke zusammen. Diese Woche kamen sie auf tägliche Höchstwerte von mehr als 30 Gigawatt, während die Leistung der Atomkraftwerke in Frankreich nicht über 28 Gigawatt kletterte.

Das liegt in erster Linie daran, dass derzeit die Hälfte der 56 französischen Atomkraftwerke wegen Wartungsarbeiten und technischer Probleme vom Netz genommen ist. Der Betreiber EDF hat schon mehrfach seine Prognose nach unten korrigiert. Möglicherweise könnte die Jahresproduktion 2022 auf den niedrigsten Stand seit drei Jahrzehnten sinken.

Dafür verantwortlich sind unter anderem Korrosionsschäden, feine Risse in den Rohren des Notkühlsystems, die erstmals im Oktober 2021 im Atomkraftwerk Civaux auffielen. Zunächst wurden baugleiche Atomreaktoren abgeschaltet. Inzwischen steht fest, dass der gesamte Atompark überprüft werden soll.

Wegen der frühen Hitzewellen in diesem Jahr - der frühesten seit Beginn der Wetteraufzeichungen in Frankreich - mussten zudem mehrere Atomkraftwerke zeitweise gedrosselt werden. Davon betroffen waren das Atomkraftwerk Blayais an der Gironde und Saint-Alban an der Rhone. Beide Flüsse führten so wenig Wasser, dass das warme Kühlwasser die Flüsse zu sehr aufgeheizt hätte. Derzeit sind insgesamt sechs Atomkraftwerke unter erhöhter Aufsicht, bei denen es in künftigen Hitzeperioden zu Problemen kommen könnte.

Dies alles führt dazu, dass EDF in diesem Jahr mehr als 60 Milliarden Euro Schulden anhäufen könnte. Die Regierung hat daher entschieden, das Unternehmen, das bereits zu mehr als 80 Prozent in staatlicher Hand ist, wieder komplett zu verstaatlichen.

Zu Beginn des Ukraine-Kriegs rühmte sich Frankreich noch mit Blick auf Deutschland, von russischem Gas unabhängig zu sein. Doch angesichts der Probleme mit den eigenen Atomkraftwerken wird nun um so deutlicher, dass Frankreich den Ausbau erneuerbarer Energien weitgehend verschlafen hat.

Im Juni hat erstmal ein Offshore-Windpark überhaupt Strom produziert - überraschend spät für ein Land, das lange Küsten am Ärmelkanal und am Atlantik hat. Mehrere Offshore-Windparks befinden sich derzeit im Bau. Präsident Emmanuel Macron will bis 2050 insgesamt 50 Offshore-Windparks bauen lassen, die dann 40 Gigawatt produzieren sollen. Den Ausbau von Windparks auf dem Land, die in Frankreich besonders umstritten sind, will er jedoch verlangsamen.

Frankreich zeigt besonders gern mit dem Finger auf die deutschen Kohlekraftwerke, sieht sich aber nun gezwungen, ein Ende März abgeschaltetes Kohlekraftwerk nahe der deutschen Grenze im Winter wieder in Betrieb zu nehmen. Dafür sei aber ein „Umweltausgleich“ vorgesehen, betonte das Umweltministerium, etwa eine Verpflichtung des Betreibers des Kraftwerks in Saint-Avold, in Aufforstungsprojekte zu investieren.

Zu alldem dringt auch der französische Rechnungshof, den französischen Strommarkt aufzuräumen, da die Regeln nicht den europäischen Anforderungen entsprechen. „Weder verständlich noch steuerbar“ sei die Organisation des Strommarktes, in den der Staat in der Vergangenheit immer wieder eingegriffen hat, um den Verbrauchern niedrige Preise zu garantieren.

Ein Zeichen dafür, dass ganz allmählich ein Umdenken einsetzt, ist das Wort des Stromsparens (sobriété, was auch Nüchternheit heißt), das sowohl die Regierung als auch die Energiekonzerne mittlerweile offen aussprechen. In einem Gastbeitrag in der Sonntagszeitung „JDD“ sprachen sich kürzlich die Chefs von drei Energieunternehmen dafür aus, Energieverschwendung zu bekämpfen. „Die beste Energie ist die, die wir nicht verbrauchen“, erklärten Patrick Pouyanné von TotalEnergies, Jean-Bernard Levy von EDF und Catherine MacGregor von Engie - und die sollten es wissen.

(felt/AFP)
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