Paris Frankreich erschwert Werksschließungen

Paris · Ausländische Unternehmen wie Continental und Arcelor-Mittal haben in den vergangenen Jahren immer wieder Fabriken dichtgemacht. Der Staat will nun den Weiterbetrieb erzwingen – doch Reformen würden mehr helfen.

Es ist ein symbolträchtiger Name, den sich die französische Regierung für ihr neues Gesetz ausgedacht hat: "Florange". So heißt eigentlich der Standort des Stahlwerks Arcelor-Mittal in Lothringen, dessen zwei letzte Hochöfen nach langen Protesten inzwischen endgültig stillgelegt wurden. Stand "Florange" bisher für den Niedergang der französischen Industrie, soll der Begriff nach dem Willen der sozialistischen Führung künftig "positiv" besetzt sein: Mit dem gleichnamigen Gesetz will sie die Schließung bedrohter Industriestandorte erschweren und somit Arbeitsplätze erhalten.

Der Text, den die Nationalversammlung soeben in erster Lesung verabschiedet hat und der noch durch den Senat muss, verspricht der "Realwirtschaft und den Industriearbeitsplätzen wieder Perspektiven zu verschaffen". Unternehmen mit mehr als 1000 Angestellten, die eine wirtschaftlich rentable Fabrik künftig aus strategischen Gründen schließen wollen, müssen demnach erst einmal drei Monate lang nach einem geeigneten Käufer suchen. Wer das Gesetz missachtet oder nicht ernsthaft sucht, riskiert saftige Strafen: Pro entlassenem Arbeiter drohen Bußgelder in Höhe des 20-fachen Mindestlohns – das sind bis zu 28 000 Euro. Damit will die sozialistische Regierungsmehrheit gegen die sogenannte "Politik der verbrannten Erde" vorgehen, die sie einigen Firmenchefs vorhält: Manche Investoren würden Standorte lieber dichtmachen, als sie der Konkurrenz zu überlassen. Die Beschäftigten seien die Leidtragenden. Die sozialistische Politikerin Clotilde Valter, verteidigte das Gesetz als "Signal, wonach Fabriken, die Gewinne abwerfen, nicht ungestraft geschlossen werden dürfen".

Scharfe Kritik kam von der bürgerlichen Opposition sowie Unternehmensvertretern. "Das Florange-Gesetz ist vollkommen absurd", schimpfte der Vizepräsident des Arbeitgeberverbands Geoffroy Roux de Bézieux. Im Parlament warnten Abgeordnete der konservativen UMP-Partei vor "kontra-produktiven" Auswirkungen des Gesetzes. Es würde Ausländer davon abhalten, in Frankreich zu investieren.

Die Vorlage geht auf ein Wahlkampfversprechen von Staatspräsident François Hollande zurück. Im Februar 2012 hatte der Sozialist den Stahlarbeitern in Florange zugesagt, er werde im Falle seiner Wahl die Schmelzöfen retten. Das ist ihm zwar nicht gelungen: Im Mai ging am sterbenden Stahlstandort der letzte Ofen aus. Mit dem Gesetz hofft der Sozialist nun, wenigstens einen Teil seines Versprechens einzulösen – zumal in einem halben Jahr Kommunalwahlen anstehen.

Florange ist in den vergangenen Monaten regelrecht zum Symbol für den Niedergang der französischen Industrie geworden. In ganz Frankreich sind im vergangenen Jahrzehnt mehr als eine halbe Million Industrie-Jobs verschwunden.

Allein seit 2009 hat das Land Experten-Schätzungen zufolge gut 600 Fabriken und 140 000 Arbeitsplätze verloren. Angesichts von Rekord-Arbeitslosenzahlen und schwindender Wettbewerbsfähigkeit versucht die Linksregierung, den Niedergang der Industrie aufzuhalten: Kürzlich stellte Paris ein milliardenschweres Projekt zur Förderung der innovativen Industrie vor. Auch ein Steuererleichterungsprogramm in Höhe von 20 Milliarden Euro im Jahr soll den Industrieunternehmen dienen. All diese Maßnahmen aber belasten Haushalt und Steuerzahler. Stattdessen, so empfehlen Wirtschaftsexperten und Politologen, sollte Frankreich lieber tiefgreifende Reformen durchführen und seinen Arbeitsmarkt deutlich flexibilisieren.

(RP)
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