François Hollandes riskante Agenda

François Hollande hat die Wahl gewonnen, doch er wird viele seiner Anhänger wohl bitter enttäuschen müssen. Denn der Sozialist wird Präsident eines wirtschaftlich kranken Landes. Und schon bei seinen ersten Entscheidungen steht er unter erheblichem Druck: Seine Polemik gegen den Sparkurs in Europa hat die EU-Partner und die Finanzmärkte nervös gemacht.

Paris/Düsseldorf François Hollande hat schnell umgeschaltet, schneller jedenfalls als seine Anhänger, die ihn in der Nacht zum Montag zu Zehntausenden auf der Pariser Place de la Bastille begeistert feierten. Den jubelnden Menschen rief Hollande in Erinnerung, dass "zahlreiche und schwere Herausforderungen" auf Frankreich warteten. Euphorie sieht anders aus.

Hollande weiß, dass er keine Schonfrist bekommen wird. Er übernimmt ein wirtschaftlich krankes und sozial zutiefst verunsichertes Land. Seit Mitte der 70er Jahre hat Frankreich keinen ausgeglichenen Haushalt mehr vorgelegt. Die Staatsschuld beträgt beinahe 90 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und die Arbeitslosigkeit ist vor kurzem mit knapp zehn Prozent auf ein Zwölfjahreshoch geklettert. Hollande muss trotz lahmender Konjunktur neue Jobs schaffen und dabei gleichzeitig Frankreichs auf beinahe 1,7 Billionen Euro gewachsene Schulden eindämmen.

Wie Hollande das hinbekommen will, ohne seine Anhänger zu verprellen, die er mit einem betont linken Wahlprogramm bezirzt hatte, bleibt bisher sein Geheimnis. Erst einmal will der neue Präsident offenbar ein paar Wohltaten verteilen. Als eine der ersten Amtshandlungen soll der zuletzt drastisch gestiegene Benzinpreis per Dekret für drei Monate eingefroren und die Schulstarthilfe für Familien um 25 Prozent erhöht werden. Auch bei Mietzuschüssen für Jugendliche will Hollande sich generöser zeigen und die Obergrenze für das steuerlich begünstigte Volkssparbuch "Livret A" auf das Doppelte anheben.

Gleichzeitig signalisiert der künftige Präsident aber auch schon eine neue Bescheidenheit: Seine eigenen Bezüge und die aller Regierungsmitglieder sollen sofort um ein Drittel gekürzt werden.

Gleich nach seinem Amtsantritt in der kommenden Woche will Hollande auch die unpopuläre Rentenreform seines Vorgängers Nicolas Sarkozy aufweichen: Jeder Franzose, der volle 41 Jahre Beitrag gezahlt hat, soll künftig wieder ohne Abschläge mit 60 Jahren in Rente gehen können. Das dürfte rund fünf Milliarden Euro kosten und soll durch eine Anhebung der Beiträge finanziert werden. Offen ist dagegen, woher Hollande das Geld nehmen will, um zwei weitere Wahlversprechen zu bezahlen: die Einstellung von 60 000 zusätzlichen Lehrern und die Subventionierung von 150 000 Jobs für junge Franzosen.

Zwar hat Hollande immer wieder betont, dass er bis 2017 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen will. Aber die Einsparungen von rund 50 Milliarden Euro, die er in seinem Wahlprogramm angekündigt hat, sind bisher nicht konkret aufgeschlüsselt worden. Bis Ende Juni soll der Rechnungshof einen Bericht über die Lage der Staatsfinanzen vorlegen. Nach dem Kassensturz könnte der sozialistische Staatschef – unter dramatischem Verweis auf die schwere "Erblast" seines konservativen Vorgängers – möglicherweise schmerzhafte Einschnitte verkünden. Denn ohne die, da sind sich praktisch alle Ökonomen sicher, wird Frankreich das Ruder nicht herumreißen können.

Das wird der Moment der Wahrheit für François Hollande, der ihn zu einem schwierigen politischen Spagat zwingen wird. Während des Wahlkampfs hatte der Franzose sich zum Widerstandskämpfer gegen die Sparpolitik in Europa stilisiert. Mit seiner Forderung, den mühevoll gezimmerten Euro-Fiskalpakt neu zu verhandeln, provozierte er jedoch Bundeskanzlerin Angela Merkel – und sorgte für neue Nervosität auf den Finanzmärkten.

Auch wenn diskrete Emissäre Hollandes in Berlin schon Kompromissbereitschaft signalisiert haben, wird der Sozialist Zugeständnisse erreichen wollen, die er in Frankreich als Durchbruch zu einer Umorientierung der EU-Politik verkaufen kann, weg vom reinen Sparkurs, hin zu Wachstumsförderung. Ein Ergänzungsprotokoll für den Fiskalpakt ist im Gespräch, der das Abkommen selbst nicht antasten würde. Hollande hatte sich jedoch auch für die Euro-Bonds stark gemacht, um damit große europäische Infrastrukturprojekte zu finanzieren. In Berlin wittert man jedoch den klammheimlichen Versuch, in die Vergemeinschaftung der europäischen Schulden einzusteigen – zu Lasten Deutschlands.

Weitere Projekte des neuen Präsidenten – darunter eine Steuerreform und eine strengere Regulierung der französischen Banken – sind ebenfalls noch mit vielen Fragezeichen versehen. Erst nach einer für den Juli geplanten großen Konferenz mit Arbeitgebern und Gewerkschaften wird man auch genauere Vorstellungen vom wirtschaftspolitischen Kurs Hollandes bekommen. Ein erster Test, wie groß das Zutrauen in den neuen Mann ist, findet aber bereits am Tag nach Hollandes Amtsantritt statt. Am 16. Mai muss Frankreich Staatsanleihen für zwölf Milliarden Euro am Markt platzieren – die Frage ist, zu welchem Zinssatz das gelingt.

(RP)
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