Verbraucherorganisation kritisiert Label Tiere leiden auch auf Bio-Höfen

Düsseldorf · Die Verbraucherorganisation Foodwatch kritisiert die Tierhaltungslabel im Handel. Sie sagen nur wenig über den Gesundheitszustand von Kühen, Schweinen und Hühnern aus, zeigt eine Untersuchung. Was die Politik jetzt tun kann.

   40 Prozent aller Schweine in konventioneller Haltung weisen krankhafte Befunde auf wie Lungenentzündungen oder Abszesse. Auf Bio-Höfen sind es 35 Prozent.

40 Prozent aller Schweine in konventioneller Haltung weisen krankhafte Befunde auf wie Lungenentzündungen oder Abszesse. Auf Bio-Höfen sind es 35 Prozent.

Foto: picture alliance / Countrypixel/FRP

Im ersten Moment klingt es wie eine Errungenschaft in Sachen Tierschutz: Im Sommer soll ein neues Tierwohllabel Einzug in die deutschen Supermärkte halten. Zunächst weist es nur auf die Haltungsbedingungen von Schweinen hin, später wird das Siegel auch auf Rind, Geflügel und verarbeitetem Fleisch zu finden sein. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hatte den entsprechenden Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, der im Oktober vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Doch schon bevor das Gesetz überhaupt in Kraft tritt, gibt es lautstarke Kritik: Die Verbraucherorganisation Foodwatch prangert an, dass die Haltungsbedingungen nur wenig über den Gesundheitszustand von Nutztieren aussagten. Sie hat am Dienstag den Report „Tierleid im Einkaufskorb“ veröffentlicht, der zeigt: Selbst auf Bio-Bauernhöfen leiden wohl viele Schweine, Hühner und Kühe.

Foodwatch wertete für den Report gemeinsam mit Tiermedizinern Studien zur Nutztierhaltung aus und förderte erschreckende Zahlen zutage: Demnach wiesen rund 40 Prozent aller Schweine in konventioneller Haltung krankhafte Befunde wie Lungenentzündungen, Abszesse oder offene Wunden auf. In der Bio-Haltung liefe es auch nicht besser, dort seien 35 Prozent betroffen. 39 Prozent der Milchkühe hätten schmerzhafte Erkrankungen an den Klauen und jede zweite in Bio-Ställen leide unter einer Euterentzündung.

Die Hühner aber sind laut Foodwatch-Report besonders schlecht dran: 97 Prozent hätten Knochenbrüche im Brustbereich – ganz unabhängig davon, ob sie im Käfig oder nach Bio-Standards gehalten würden. „Ob Hühner, Schweine oder Kühe gesund sind, hängt nicht einfach davon ab, ob der Stall ein paar Zentimeter größer ist oder Stroh auf dem Boden liegt, sondern ganz entscheidend auch vom Stallmanagement der Landwirte“, sagte Annemarie Botzki, die bei Foodwatch für Kampagnen zuständig ist. Ein weiterer Kritikpunkt: Der Handel verkauft auch Eier, Milch und Fleisch von kranken Tieren, ohne die Verbraucher darüber zu informieren.

Das neue Tierwohl-Label für Fleisch werde daran nichts ändern – ganz im Gegenteil. Es informiere lediglich über Unterschiede in der Haltungsform und gaukele Supermarktkunden weiterhin vor, dass sie Produkte von gesunden und glücklichen Tieren kauften.

Foodwatch hat andere Ideen, wie sich die Situation politisch lösen ließe: Für jeden Landwirtschaftsbetrieb sollten Gesundheitsdaten erhoben, ausgewertet und veröffentlicht werden. Auf Basis dieser Informationen müsse dann ein überbetrieblicher Index eingeführt werden, der einordnen könne, welche Höfe immer wieder Probleme mit kranken Tieren hätten und welche dagegen gut abschnitten.

Letztere sollten belohnt werden, indem Molkereien und Schlachthöfe ihnen beispielsweise höhere Preise auszahlten. Die mit den schlechten Ergebnissen würden professionell beraten werden und bekämen Sanktionen auferlegt, falls sich nach einigen Monaten nichts verbessert habe. Foodwatch schlägt zum Beispiel vor, die Agrarsubventionen zu kürzen – und als letztes Mittel ein Tierhaltungsverbot.

Noch sieht die Verbraucherorganisation keinen Grund für Optimismus: Die Bundesregierung hat zwar in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, eine „Tierschutzstrategie“ zu erarbeiten. Doch erstens sei bislang nichts passiert und zweitens erinnere die Debatte um Tiergesundheit laut Botzki an die Klimakrise: „Die wissenschaftlichen Erkenntnisse sind eindeutig, werden aber politisch ignoriert.“

Doch was bedeutet das nun für Verbraucher? Ist es letztendlich egal, ob sie Eier aus Boden- oder Bio-Haltung kaufen? „Natürlich ist es für gesunde Tiere generell besser, wenn sie nicht in beengten Verhältnissen leben müssen“, sagt Botzki. Für kranke Kühe, Schweine oder Hühner dagegen mache es kaum einen Unterschied, ob sie nun auf einer Wiese stünden oder nicht. Sie bräuchten auf ihre Bedürfnisse abgestimmte Betreuung, die aber auch auf Bio-Höfen oft nicht gegeben sei. Somit seien die Label hinfällig.

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